Ob Planet Neun tatsächlich existiert, ist nach wie vor unklar
Illustr.: Tom Ruen/ESO, red

Ann Arbor – Astronomen hegen nur mehr wenig Zweifel daran, dass am äußeren Rand unseres Sonnensystems ein bisher unentdeckter Riesenplanet kreist. Die Idee eines "Planet Neun" kursiert bereits seit Jahrzehnten, doch erst nachdem die beiden US-Astronomen Chad Trujillo und Scott Sheppard 2014 bei einigen Asteroiden im fernen Kuipergürtel ungewöhnliche Umlaufbahnen festgestellt haben, gewann diese These in Fachkreisen an Glaubwürdigkeit.

Zahlreiche transneptunische Objekte besitzen Umlaufbahnen, die sich am besten durch den Einfluss eines neunten Planeten erklären lassen.
Illu.: Tomruen

Mittlerweile haben unter anderem die beiden Wissenschafter Konstantin Batygin und Michael E. Brown vom California Institute of Technology (Caltech) mehr als ein Dutzend transneptunische Objekte nachgewiesen, deren Orbits sich nur schwer ohne einen fernen Gasriesen erklären lassen. Die beiden Astronomen errechneten die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Konstellation für diese Himmelskörper und kamen auf lediglich 0,007 Prozent. Nun haben Forscher ein weiteres untypisches Objekt erspäht, das die Existenz von Planet Neun zu bestätigen scheint.

Ungewöhnliches Objekt

Wie das Team um Juliette C. Becker und David Gerdes von der University of Michigan in Ann Arbor in einer auf dem Preprintserver ArXiv.org erschienen Studie berichten, tauchten erste Hinweise auf dieses Objekt bereits 2014 in den Daten der Dark Energy Survey (DES) auf, einer Himmelsdurchmusterung, bei der nach Körpern jenseits der planetaren Bahnebene Ausschau gehalten wird. Das mit 2015 BP519 bezeichnete Objekt dürfte demnach groß genug sein, um als Zwergplanet zu gelten.

Video: Warum zahlreiche transneptunische Objekte auf den hypothetischen Planet Neun hinweisen.
caltech

Was den Himmelskörper so außergewöhnlich macht, ist seine langgestreckte und um 54 Grad zur Bahnebene der übrigen Planeten geneigte Umlaufbahn. Die bisherigen Untersuchungen von 2015 BP519 und zahlreiche Bahnsimulationen für die vergangenen 4,5 Milliarden Jahre ergaben keine plausible Erklärung für seinen außergewöhnlichen Orbit. Erst als Becker und Gerdes den hypothetischen Planet Neun in die Gleichung einfügten, passten plötzlich alle Parameter.

Kein Zufall

Für Konstantin Batygin und Michael Brown ist 2015 BP519 ein weiterer Beleg dafür, dass Planet Neun tatsächlich existiert. "Ich kann mir keinen anderen vernünftigen Grund vorstellen, der dazu führt, dass der Kuipergürtel mit Objekten mit derartigen Umlaufbahnen bevölkert ist", meint Batygin gegenüber dem Wissenschaftsmagazin "Quanta". "Ich glaube, die bisherigen Daten liefern eine ausgezeichnete Grundlagen für die tatsächliche Existenz von Planet Neun."

Der Zwergplanet 2015 BP519 umkreist die Sonne in einem ungewöhnlichen Orbit. Simulationen lassen darauf schließen, dass auch dieser durch Planet Neun verursacht wurde.
Illustr.: Becker, Gerdes et al.

Diese Daten lassen sogar innerhalb gewisser Grenzen Rückschlüsse auf die Beschaffenheit dieses mysteriösen dunklen Himmelskörpers und seiner Umlaufbahn zu: So soll Planet Neun vier- bis zehnmal so viel Masse besitzen wie die Erde. Für eine Runde auf seinem langgestreckten Orbit benötigt er 10.000 bis 20.000 Jahre, nähert sich der Sonne aber nur bis auf rund 1.000 Astronomische Einheiten an.

Suche nach der Nadel im Sterngefunkel

Warum der Riese bei all dem, was man jetzt schon über den Planeten zu wissen glaubt, noch nicht gefunden wurde, ist dennoch kein Wunder – immerhin handelt es sich um die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen: Zum einen kommt dort, wo Planet Neun vermutet wird, nur mehr ein äußerst geringer Anteil des Sonnenlichts an. Das wenige davon, das er reflektiert, könnte vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Galaxien- und Sternengefunkels gänzlich untergehen. Zum anderen lässt sich seine aktuelle Position auf seiner Umlaufbahn kaum vorhersagen – er könnte also beinahe überall sein.

Möglicherweise ist Planet Neun im Rahmen einer der vielen Himmelsdurchmusterungen und Beobachtungskampagnen sogar bereits unbemerkt fotografiert worden – die entsprechende Durchsicht all dieser Aufnahmen in den diversen digitalen Astronomiearchiven kommt allerdings einer kaum bewältigbaren Sisyphusarbeit gleich. (tberg, 26.5.2018)