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Paolo Savona könnte Italiens Finanzminister werden

Foto: REUTERS/Remo Casilli

In seiner Autobiografie, die in diesen Tagen erscheinen wird, nimmt sich Paolo Savona kein Blatt vor den Mund: "Deutschland hat die Sicht bezüglich seiner Rolle in Europa nach dem Ende der Nazizeit nicht geändert – außer dass es seine Vormachtstellung nun nicht mehr militärisch durchzusetzen versucht", schreibt der Ökonom in Come un incubo e come un sogno ("Wie ein Albtraum und wie ein Traum"). Der deutsche Hegemon, der seine europäischen Nachbarn nun nicht mehr mit Panzern und Stukas unterjocht, sondern mit dem Euro: Das ist das Lieblingsthema des 81-Jährigen. Der streitbare Sarde bezeichnet die europäische Einheitswährung auch als "deutschen Käfig".

Savona soll nach dem Willen der neuen starken Männer von Rom – Lega-Anführer Matteo Salvini und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio – Finanz- und Wirtschaftsminister unter Premier Giuseppe Conte werden. Das kommt nicht überraschend: Skepsis gegenüber Euro und EU sind der Kitt, der die beiden populistischen Parteien zusammenhält. Und Savona ist einer ihrer Chefideologen. Der Ausstieg aus dem Euro sei notwendig, sonst drohe Italien das gleiche Schicksal wie Griechenland.

Sollte Präsident Sergio Mattarella der Ernennung Savonas zum Finanz- und Wirtschaftsminister tatsächlich zustimmen – sowohl Di Maio als auch Salvini bestanden am Donnerstag vehement darauf -, müssten sich die "Euro-Bürokraten" in Brüssel und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Berlin warm anziehen. Das Verhältnis der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone zu den EU-Partnern stünde im Zeichen der Konfrontation; Italiens Schuldenberg von 2300 Milliarden Euro würde die ganze Union bedrohen.

Es heißt, dass der europafreundliche Mattarella alles daran setzen will, eine moderatere Persönlichkeit zu finden. Es steht eine Machtprobe bevor: Salvini erklärte, dass er ein Veto des Staatspräsidenten nicht verstehen würde, da Savona die Mehrheitsmeinung der Italiener vertrete.

Fachlich ist gegen Savona wenig einzuwenden: Er gilt als einer der profiliertesten Ökonomen Italiens, und er würde – im Unterschied zum künftigen Premier Conte – auch politische Erfahrung mitbringen: Savona war unter dem damaligen Regierungschef und späteren Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi von 1993 bis 1994 Industrie- und Handwerksminister, außerdem auch Generaldirektor der italienischen Nationalbank, Generalsekretär des Industriellenverbands Confindustria und Unternehmenschef der Banca Nazionale di Lavoro und anderer Großunternehmen. Daneben hatte er an verschiedenen italienischen Universitäten Lehrstühle inne. Das Curriculum des künftigen Anti-Euro-Ministers wäre formell somit einwandfrei.

Savona ist nicht erst kürzlich auf den Zug der Eurogegner aufgesprungen: Er hatte sich schon 1992, als in der EU die entsprechenden Verträge ausgearbeitet wurden, gegen den Beitritt zur Einheitswährung ausgesprochen – also zu einer Zeit, als man sich noch unbeliebt machte, wenn man am Euro herummäkelte. Er war der Meinung, dass Italien die Beitrittsbedingungen schlicht und einfach nicht erfülle – und sah voraus, dass durch die Aufgabe einer eigenen Währungspolitik die notwendige Flexibilität verloren gehen würde, um auf dem Geldmarkt Krisen entgegensteuern zu können – etwa durch die Abwertung der Lira. "Der Euro war von Anfang an eine Fehlkonstruktion, weil er Volkswirtschaften mit sehr unterschiedlicher Produktivität umfasst", betont Savona. Inzwischen ist er nicht mehr der einzige Ökonom, der zu diesem Schluss kommt.

Der 81-Jährige ist zwar Gegner der Einheitswährung, aber er bestreitet, ein Antieuropäer zu sein: "Die Schwierigkeiten der EU sind ihren Führungseliten zuzuschreiben. Sie behaupten, sich fürs Volk zu interessieren. In Wahrheit kümmern sie sich nur um sich selbst", erklärte Savona unlängst im Gespräch mit der katholischen Tageszeitung Avvenire. (Dominik Straub aus Rom, 25.5.2018)