Dietmar Niederl und sein Ladekabel.

Foto: Rudolf Skarics

Das Ladekabel kann an jeden herkömmlichen Starkstromanschluss angesteckt werden und ist in der Lage, ein Elektroauto mit bis zu 22 kW laden.

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Der Preis beginnt bei 900 Euro. Ein längeres Kabel, Adapter oder zusätzliche Funktionen – beispielsweise Fernsteuerung per Handy-App – kosten extra.

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Nein, Dietmar Niederl hat noch keine Niederlassung in China und USA, seine Mitarbeiter können nicht in der Mittagspause in einem Swimmingpool auf dem Dach des Werksgebäudes planschen, und er hat auch kein Geld von Glücksrittern aus dem Netz gesammelt. Herr Niederl hatte eine Idee, hat dafür seinen gut bezahlten Job als Elektronik-Entwickler bei der AVL List in Graz gekündigt, vom Ersparten gelebt und ein Jahr lang nichts anderes gemacht als daran getüftelt, ein sehr cleveres Gerät zu verwirklichen. Dann war das Ding fertig, und Niederl baute in kleinen Schritten eine kleine Produktion auf.

Ladekabel

Seine bisherigen Erfahrungen in der Prototypfertigung kamen ihm natürlich zugute. Kompakt, intelligent und universell einsetzbar: Ein Ladekabel, das an jeden herkömmlichen Starkstromanschluss angesteckt werden kann und in der Lage ist, ein Elektroauto mit bis zu 22 kW laden. Und das Allerwichtigste: Obwohl die Materie ganz schön kompliziert ist, können die Kunden garantiert nichts falsch machen.

In der Steiermark, im Land der Schweißgeräte und Mischmaschinen, wo praktisch jedes Einfamilienhaus einen 400-Volt-Anschluss besitzt, ist das eine naheliegende Idee, aber das gilt natürlich für viele andere europäischen Länder auch, die ja nicht nur industriell wie in USA und Asien, sondern auch im Haushaltsstromnetz über sogenannten dreiphasigen Drehstrom verfügen.

St. Stefan im Rosental

Dietmar Niederl lebt in seiner Heimatregion in der Südoststeiermark, eine halbe Autostunde von Graz, und hat inzwischen in Sankt Stefan im Rosental, das landschaftlich genauso hübsch liegt, wie der Name klingt, seine erste Produktionsstätte bezogen, die auch prompt schon wieder zu klein geworden ist, weshalb gerade erst am Vorplatz noch zwei Bürocontainer aufgestellt wurden, naturgemäß isoliert und klimatisiert. Man darf sich das Szenario schon ein wenig so vorstellen wie jemand, der klein in einer Garage begonnen hat, aber nicht in einem schmuddeligen Hinterhof, sondern aufs Elektronikzeitalter übersetzt, mit blitzsauberer Umgebung und penibler Ordnung in allen Strukturen.

Für die hohen persönlichen Belastungen bei Gründung eines Start-ups hat Dietmar Niederl schon vorher geübt. Als gelernter Kfz-Techniker und -Elektriker hat er die HTL für Elektronik und IT im zweiten Bildungsweg absolviert. Eigentlich wollte er dann auch noch studieren, aber Magna hat damals Techniker gesucht, er begann gleich in der gerade neu gegründeten Batterieentwicklung. Die Arbeitsbelastung hat keinen Spielraum gelassen für ein Studium, aber ein gutes Fundament für die spätere Selbstständigkeit gebildet.

Energetische Aussprache

Sein Unternehmen heißt Dinitech, was unschwer auf Dietmar Niederl schließen lässt, das Produkt, also das Ladekabel, auf das alle Tätigkeit aufgebaut ist, heißt NRGkick, man muss es nur passend aussprechen und weiß auch gleich, worum es geht. Ein Mann offenbar, der auch die Details nicht außer Auge lässt, auch wenn er sich darin nicht zu verzetteln scheint. Allein in der klaren und gleichermaßen unaufgeregten Art, wie er seine Motive und Ziele formuliert, gerät er in Verdacht, dass er vielleicht schon mit großen Autoherstellern über große Aufträge als Zulieferer verhandelt, aber so leicht ist das nicht, dazu hat das Unternehmen noch nicht die nötige kritische Masse erreicht.

Man muss sich das nämlich so vorstellen: Ein Autohersteller hat viele Lieferanten und muss den Kopf für seine Zulieferer hinhalten, wenn etwas nicht passt. So gibt es die sogenannte Zulieferpyramide, unterteilt in Systemzulieferer, Komponentenzulieferer und Teilezulieferer. Für jeden Bereich muss ein Unternehmen eine bestimmte Größe haben, um Gewährleistungsfälle stemmen zu können, ohne gleich daran zugrunde zu gehen.

Andere Liga

In dieser Liga spiele er noch nicht, aber Niederl verweist auf mittlerweile mehrere Tausend zufriedene Kunden in drei Jahren und 25 Ländern, unter anderen auch ein Energieversorger, der NRGkick-Ladekabel unter eigenem Label im Verkaufsprogramm hat. Es ist auch vorstellbar, dass nicht alle Wallbox-Hersteller die helle Freude hatten, als Herr Niederl mit seinem Ladekabel auftauchte, da es ja in vielen Fällen die smartere Ladelösung darstellt, wobei der Besitz des einen das andere eh nicht ausschließt.

Während Dietmar Niederl die vielfältigen Aufgaben als Unternehmer mit gebotener Energie und Konzentration wahrzunehmen scheint, strahlen seine Augen, wenn es um den technischen Inhalt geht. Sein Produkt ist auch seine Botschaft: schlank, schlau und absolut simpel in der Verwendung, als Plug-and-Play-Variante vollautomatisch oder auch mit elektronischer Steuerung per Handy-App und stufenloser Leistungsregelung – künftig sogar direkt vernetzbar mit der hauseigenen Fotovoltaikanlage.

Bemerkenswert ist, dass es sich hier nicht um eine riskante Vision handelt, die in einer Marketing-Blase daher schwebt und primär über den Finanzmarkt realisiert werden soll, sondern um eine ingenieurgetriebene Innovation mit starker Bodenhaftung hautnah an den realen Bedürfnissen der Konsumenten, natürlich im Korsett kaufmännischer Prämissen. (Rudolf Skarics, 28.5.2018)