Ein scheinbar harmloser Kopfball: Forscher untersuchen nun, ob sie langfristig das Gehirn schädigen.

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Hamburg – Es besteht kein Zweifel: Bei keiner Sportart kommt es zu mehr Gehirnverletzungen als beim American Football. Rund 43 Prozent der Ex-Profis leiden an den Spätfolgen von Schlägen und Kopfstößen, haben Studien gezeigt.

Nun wollen Sportmediziner aus Deutschland, der Schweiz und den USA die Auswirkungen von Kopfbällen auf die Gesundheit von Fußballern untersuchen. Konkret soll bei 50 Profi-Sportlern ermittelt werden, wie oft und wie sie köpfeln. "Insbesondere von Kopfbällen, die nicht zu Gehirnerschütterungen führen, wissen wir noch nicht sicher, ob sie auch langfristig das Gehirn schädigen", erklärt der Paderborner Neurologe Claus Reinsberger, der die Studie leiten wird.

Von Gehirnerschütterungen

Die Untersuchung ist auf drei Jahre angelegt und soll bis 2020 abgeschlossen sein. Vor allem Fußballer der U21 vom Hamburger SV sind beteiligt, Schweizer Spieler sollen hinzukommen. Die Wissenschafter werden die Fußballer mit dem Kernspintomografen untersuchen und dann alle Kopfbälle bei Trainingseinheiten und Spielen beobachten. Schließlich sollen die Spieler erneut klinisch untersucht werden. In einer Vorstudie werteten die Sportmediziner bereits Videos aus der Bayern-Liga mit 11.500 Kopfbällen aus.

Reinsberger und Kollegen unterscheiden zwischen Treffern, die eine leichte Gehirnerschütterung hervorrufen, und solchen, die keine derartigen Symptome zur Folge haben. Dass Gehirnerschütterungen – verursacht meist durch Zusammenstöße von Köpfen bei Duellen oder unbeabsichtigte Kopftreffer – schwere Folgen haben können, ist für die Forscher offensichtlich. Wenn sie nicht therapiert werden, könne es zu Schäden für Gedächtnis, Augen, Reaktionsgeschwindigkeit und Balance kommen. Im schlimmsten Fall sei bei einem erneuten Kopftreffer sogar eine Behinderung oder der Tod möglich, heißt es vonseiten der Sportmediziner. Darum sei es wichtig, Fußballer nach einem solchen Vorfall aus dem Spiel zu nehmen.

USA verhängt Kopfballverbot im Juniorenfußball

Ob häufige Kopfbälle, bei denen Fußballer anschließend keine Symptome zeigen, auch gefährlich sind, ist für Reinsberger dagegen eine offene Frage. Frühere Studien gäben Anhaltspunkte dafür, wonach die Kommunikation zwischen bestimmten Gehirnteilen gestört werde. "Klar ist schon, dass es Veränderungen und Anpassungserscheinungen des Gehirns dabei gibt", sagt der Neurologe. Ob das positiv zu bewerten sei, wie etwa der schnellere Herzschlag bei einem Jogger, sei noch offen. Der US-Fußballverband hat bereits ein Kopfballverbot im Juniorenfußball verhängt. Reinsberger sieht allerdings noch keinen wissenschaftlich begründeten Handlungsbedarf.

Eine Vorstudie von Regensburger Sportmedizinern ergab, dass in den Ligen unterschiedlich oft der Kopf eingesetzt wird. In der ersten Bundesliga wurde der Ball im Schnitt pro Spiel 111,4 Mal geköpfelt, in der zweiten Liga 128,5 und in der dritten 143,13. Bei der bevorstehenden WM in Russland hätte Reinsberger eigentlich nichts gegen ein gutes Kopfballspiel. "Mit einem Kopfball, der auch ins Tor geht, hätte ich auch als Neurologe kein Problem.".

Der Sportmediziner hofft allerdings, dass sich ein Fall wie der von Alvaro Pereira bei der WM vor vier Jahren nicht wiederholt. Im Spiel gegen England bekam der Uruguayer damals ein Knie gegen den Kopf. Trotz einer Gehirnerschütterung spielte er auf eigenen Wunsch weiter. Daraufhin führte die FIFA die Drei-Minuten-Regel ein. Das heißt, das Spiel muss nach einem solchen Zwischenfall unterbrochen werden, um einem Sportarzt die Gelegenheit zu geben, eine Gehirnerschütterung auszuschließen. (APA, dpa, red, 25.5.2018)