In den westlichen Industriestaaten sind Alkohol und Nikotin nach wie vor die Volksdrogen Nummer eins.

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Wien – Bei den Suchterkrankten wird der Anteil an Abhängigen im Pensionsalter immer höher. Die Babyboomer werden beispielsweise vermehrt Alkohol-auffällig, hieß es Freitag bei einem Experten-Hintergrundgespräch in Wien. Anlass war die Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Substanzmissbrauch (EASAR). In den westlichen Industriestaaten stehen hier überall der Alkohol und das Nikotin an oberster Stelle, während in den öffentlichen Diskussionen zumeist illegale Drogen thematisiert werden.

"Wir sehen immer mehr 'Babyboomer', die in die Alkoholabhängigkeit rutschen. Sie kommen ins Pensionsalter. Plötzlich ist jeden Tag 'Urlaub'. Sie leben in relativ hohem Wohlstand, hatten einen guten Beruf und ein gutes Leben. In Dänemark sind bereits 15 Prozent der Menschen, die sich wegen ihrer Alkoholabhängigkeit in Behandlung begeben, älter als 60 Jahre", sagte Anette Sogaard Nielsen, Direktorin der Abteilung für Alkoholforschung der Universität von Süddänemark. Oft wären es die Kinder der Betroffenen, die Alarm schlagen.

Völlige Abstinenz nicht mehr das Ziel

In der Behandlung von Drogen- bzw. Alkoholabhängigen ist es in den vergangenen Jahren zu einem Wechsel im Grundverständnis gekommen, betonte Alfred Uhl vom Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich GmbH. "Das Abstinenzparadigma ist aus verschieden Gründen im Verschwinden begriffen." Die Drogen-Substitutionstherapie hat die Möglichkeit geschaffen, auch Opioid-Abhängige mit risikoreichem Konsum langfristig zu stabilisieren. Bei anderen Formen von substanzgebundener Abhängigkeit wird ebenfalls zunehmend versucht, die Problematik mit dem Betroffenen optimal zu managen, auch wenn Abstinenz für längere Zeit erreichbar ist.

Positiv zu verzeichnen ist: "Derzeit steigen immer weniger Jugendliche und junge Erwachsene in den Opioid-Konsum ein", sagte Martin Busch, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht der GÖG. 1995 gab es in Österreich etwas weniger als 4.500 Menschen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren mit risikoreichem Opioid-Konsum. Um das Jahr 2005 waren es etwa 10.000 Betroffene, im Jahr 2015 nur noch rund 3.000. Hingegen blieb die Zahl der über 35-Jährigen Opiatabhängigen zwischen 1995 und 2005 mit rund 7.000 Personen relativ stabil, um bis zum Jahr 2015 auf etwa 15.000 anzusteigen. Auch auf Gebiet werden die Betroffenen immer älter, was an das Gesundheits- und Sozialsystem neue Anforderungen stellt.

Spiel- und Handysucht

Busch sagte: "Diese Opiatabhängigen sind oft mehrfachkrank. Wir sehen auch, dass sie anfälliger für tödlich verlaufende Überdosierungen sind." Insgesamt dürften in Österreich derzeit zwischen 29.000 und 33.000 Menschen risikoreichen Opiatkonsum haben.

Zunehmend in den Fokus der Experten geraten auch nicht substanzgebundene Formen von Abhängigkeit. Das war als erstes die Spielsucht, gefolgt von Internet- und Handysucht. 80 Prozent der Probleme mit Spielsucht spielen sich laut Ludwig Kraus, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Therapieforschung in München, rund um Automaten ab. Aber in den vergangenen Jahren seien von der Industrie vor allem die Sportwetten gepusht worden, wobei viele der Betreiber ihren Sitz in Steueroasen hätten.

Für den deutschen Experten überraschend: "In Österreich werden die Sportwetten nicht als Glücksspiel betrachtet." Dabei würden die mannigfaltigen Formen und der aktuelle Thrill im Ablauf bei diesen Wetten ein Paradebeispiel für das Glücksspiel darstellen. (APA, 25.5.2018)