Während die Welt atemlos auf die Vorbereitung einer pompösen Hochzeit blickte, starb ein kleines Mädchen. Die Kugel, die sie tötete, war im Bereich ihrer Wange in den Körper eingedrungen. Die Zweijährige hatte den Fluchtversuch ihrer Eltern nicht überlebt. Sie starb nicht, wie so viele andere Kinder, bei der Überfahrt im Mittelmeer, sondern in einem Krankenwagen auf sicherem Boden in Europa.

Das Mädchen hatte einen Namen: Mawda. Die belgische Polizei brachte den Wagen, in dem sich Mawdas kurdische Familie mit vielen weiteren Flüchtlingen befand, im Grenzgebiet zwischen Belgien und Frankreich mit Schüssen zum Halten. Mawdas Eltern und ihr dreijähriger Bruder werden nun mit ihrem Tod klarkommen müssen. Und die Beamten mit einer gründlichen Untersuchung der Geschehnisse.

Denn die Todesursache war nicht, wie zuerst öffentlich spekuliert, eine Erkrankung aufgrund der Flucht oder eine Kopfverletzung "aufgrund des riskanten Fahrstils", wie von der Staatsanwaltschaft verlautbart worden war. Auch wurde eine verdächtig lange Zeit abgestritten, dass es sich bei jener Kugel, die durch die Kinderwange weiter in den Körper gedrungen war und das Leben des Kindes genommen hatte, um eine Polizeikugel gehandelt hatte. Wie verhältnismäßig es war, auf den Wagen das Feuer zu eröffnen, wird hoffentlich auch noch geklärt werden.

Ob die Familie nun aus einem sicheren Land in ein anderes wechseln wollte, ist hier nicht von Belang. Von Belang ist, wo Europa steht. Wo die Verhältnismäßigkeit endet und wo die Brutalität beginnt.

Das ist eine Frage, die nicht nur von der belgischen Justiz beantwortet werden sollte. Diese Frage geht jeden Menschen an, der sich als Teil Europas definiert. (Julya Rabinowich, 25.5.2018)