"There's no such thing like a cup of tea": der Wiener Geschäftsmann Andrew Demmer.


Foto: Robert Newald

Aus der Fassung lässt sich Andrew Demmer nicht bringen. Dass ihm die Interviewerin beim Termin im STANDARD-Haus Teebeuteltee von der Konkurrenz kredenzt, nimmt er mit britischer Gelassenheit. Und: Er trinkt ihn auch, beim Plaudern über Beruf und Unternehmen.

STANDARD: Ich habe Tee gemacht, allerdings keinen von Demmer.

Demmer: There's no such thing like a cup of tea. Danke schön.

STANDARD: Sie stammen aus einer Kaffeerösterfamilie, Ihr Großvater führte den Betrieb. Warum haben Sie auf Tee umgeschwenkt?

Demmer: Mein Großvater hatte eingeschworene Leute um sich, der Kaffee war sehr in seiner Hand. Aber er hatte ja Kaffeehäuser, wie das Arabia am Kohlmarkt, das übrigens eine der ersten Espressomaschinen in Wien hatte. Da hab ich mich auf die Gastronomie und den Tee gestürzt, weil ich da das Gefühl hatte, ich störe niemanden in seinen Kreisen. Bei einer Einladung nach Indien und einem Hamburger Teehändler, für den ich gearbeitet habe, ist meine Liebe zum Tee entstanden. Ich hatte recht früh die Idee, ein Tee- und Geschenkartikelgeschäft zu machen, und das tat ich auch. Ketten wie Ikea, Butlers oder Interio gab es damals ja noch nicht.

STANDARD: Sie sind 72, haben vier Kinder und sieben Enkel. Die Chefs Ihrer Demmer GmbH stammen aber nicht aus Ihrer Familie, ihnen wollen Sie Ihr Unternehmen übergeben. Wie schwer fällt das?

Demmer: Mir ist das nicht schwergefallen. Die Leute haben Handschlagqualität, sind alle mit Leib und Seele dabei. Ich könnte mir den Schritt, den ich mit der Übergabe vorhabe, nicht konfliktfreier und smoother vorstellen. Es wäre mir ein Horror, mit Finanzleuten harte Gespräche führen und feilschen zu müssen. Meine Kinder haben alle Berufe, die sie ausfüllen. Und wir haben festgestellt, dass wir uns viel besser vertragen, wenn der Vater und die Kinder ihre eigenen Wege gehen.

STANDARD: Dass die Familie dann raus ist, stört Sie gar nicht?

Demmer: Mir ist wichtiger, dass Qualität, guter Name und Arbeitsplätze erhalten bleiben. Wenn ich aus dem Gebäude, in dem die Firma untergebracht ist, eine vernünftige Miete bekomme und eine monatliche Pension, bin ich schon zufrieden.

STANDARD: Bevor Sie 1981 Ihr erstes Teegeschäft eröffneten, haben Sie 1978 einen Wiener Traditionsbetrieb gekauft: Brötchenmacher Trzesniewski. Bevor Maria Trzesniewski den Vertrag unterschrieben hat, mussten Sie den Namen 20-mal fehlerfrei aussprechen.

Demmer: Vorher hab ich ihr noch Blumen gebracht. Es ist ganz einfach: Das "R" hört man nicht in Trzesniewski. Beim Kauf musste meine Mutter für mich bürgen, nach einem Jahr hat die Bank darauf verzichtet. Ich habe dann neun Jahre gewartet, bis ich mich getraut habe, die erste Filiale aufzumachen.

STANDARD: Heute beschäftigen Sie 125 Mitarbeiter, 90 davon im Gastrobereich mit den Brötchen. Ist es schwer, Personal zu bekommen?

Demmer: Wir finden die Leute, die wir brauchen, im Gastronomiebereich beschäftigen wir in erster Linie Hilfsarbeiterinnen. Aber wenn wir Stellen ausschreiben, sind die Interessenten meistens überqualifiziert. Da melden sich oft Leute mit FH- oder akademischem Abschluss, die keinen Job finden und bei uns anfangen wollen.

STANDARD: Finden Sie auch genug Mitarbeiter, die ab ein Uhr in der Früh Aufstriche machen und jeden Tag 4000 Eier kochen?

Demmer: Ja, wobei in der Produktion Männer arbeiten, die beginnen um 23 bzw. ein Uhr. Sonst sind wir sehr frauenlastig, auch im Teebereich. Für die, die da arbeiten, gilt: Tee müssen sie schon mögen. Es gibt aber sogar einen Kaffeeautomaten bei uns, weit weg im Raucherkammerl.

STANDARD: Die Brötchen machen dann die Frauen in den elf Filialen?

Demmer: Ja, unsere 90 Streicherinnen. Rund 75 Prozent von ihnen kommen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Polen, Rumänien. Die Fluktuation ist bei uns gering: Wer zehn Jahre da ist, ist kurz da. Unsere Teelagerleiterin ist seit 30 Jahren bei uns, meine Sekretärin war 36 Jahre bei mir.

STANDARD: Was ist das bessere Geschäft: Tee oder Brötchen?

Demmer: Das Geschäft mit den Brötchen ist einfacher. Was wir für Trzesniewski in der Früh einkaufen, ist am Abend großteils verkauft, zahlen müssen wir's in vier oder sechs Wochen. Da ist also der Cashflow interessant, und die Spanne passt auch. Beim Tee müssen wir ein großes Lager vorhalten und uns ab Jänner ums Weihnachtsgeschäft kümmern.

STANDARD: Können Sie die Brötchen überhaupt noch sehen?

Demmer: Ein "Ei mit Ei" oder ein Leberbrötchen geht immer.

STANDARD: Wie kommen Sie mit dem Vorschriftsdschungel zurecht?

Demmer: Die Anforderungen haben sich sehr verändert, allein um die Küche zu kommen, in der wir die Aufstriche machen, muss man sich desinfizieren wie im Spital. Man lernt, damit vernünftig umzugehen. Manchmal frage ich mich aber, wie zeitgemäß und sinnvoll all diese Vorschriften sind. Wir hatten ein sehr schönes Lokal in der Paniglgasse in Wien, das habe ich nach neun Jahren wieder zugesperrt. Die behördlichen Auflagen haben mich geärgert. Wir hatten das mit viel Liebe und Engagement gemacht, aber es wurden uns rundum Prügel vor die Füße geworfen. Ich bin damals bis zur obersten Behörde gegangen, weil es mich geärgert hat, dass man uns mit 35 Euro gestraft hat, weil die Notrufnummern nicht im richtigen Format gedruckt waren, auf dass man sie aus hundert Metern Entfernung lesen kann. Ich habe mich aber damit abgefunden, ich bin nicht sehr streitsüchtig.

Mit dem "High Tea" in Wien-Wieden hatte Demmer wenig Glück. Er verschluckte sich an den Auflagen.
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STANDARD: Sie haben vier eigene Teegeschäfte und 20 Franchisepartner, sogar einen in Japan. Warum expandieren Sie nicht selbst?

Demmer: Auf diese Entfernung kann man kein Teegeschäft führen. Unsere Franchisepartnerin in Tokio verkauft übrigens alles – bis auf grünen Tee.

STANDARD: Die Österreicher konsumieren pro Kopf und Jahr 8,5 Kilo Kaffee und 580 Gramm Tee. Ein zäher Kampf?

Demmer: Wobei man für eine Tasse Kaffee sieben Gramm braucht, bei Tee sind es 2,5 Gramm Tee. Sogar viele Teetrinker trinken nur Tee, wenn ihnen kalt ist oder sie Bauchweh haben. Ich bin seit mehr als 40 Jahren im G'schäft und kämpfe immer noch darum, die Österreicher zu Teetrinkern zu machen. Es ist ein dorniger Weg.

STANDARD: Was macht denn guten Tee aus?

Demmer: Beim Teegenuss ist entscheidend, dass der Tee dem eigenen Geschmack entspricht und die Atmosphäre passt. Der teuerste Tee muss nicht der beste sein. Wenn ich heimkomme oder ein Gast bei der Tür reinkommt, vergehen keine fünf Minuten und wir bereiten frischen Tee zu. Wir sind da gar nicht originell: Wir haben ein, zwei Sorten und kommen damit gut über die Runden. Meine Frau und ich haben uns in 40 Jahren noch nie eine Flasche Wein aufgemacht. Wir machen uns lieber eine Kanne Tee.

STANDARD: Beliebtestes Trzesniewski-Brötchen ist das "Speck mit Ei", so heißt auch Ihre Homepage. Das Rezept dafür liegt, wie das von Coca-Cola, im Safe?

Demmer: Im übertragenen Sinne, ja. Ich habe heute noch die Karteikarten von Maria Trzesniewski, auf denen in Schreibmaschinenschrift und mit Tippfehlern draufsteht, wie man den Aufstrich macht. Die Zutaten könnte man leicht analysieren lassen, aber das ist nur ein Teil. Dazu kommt halt noch der gewisse Schmäh: Welche Zutat gibt man zuerst hinein, welche später. Und: Bewegt man den Kochlöffel nach rechts oder nach links beim Umrühren? (Renate Graber 27.5.2018)