Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) will "behördeninterne Maßnahmen" ergreifen.

foto: apa/neubauer

Wiener Neustadt / Wien – Entscheidungen von Verwaltung und Justiz haben faktentreu und unvoreingenommen zu erfolgen und sind in einem entsprechenden Ton zu begründen. So sollte es sein – und so ist es im Rechtsstaat Österreich meistens auch.

Umso abweichender ist ein am 18. Mai 2018 zugestellter, dem STANDARD vorliegender Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), der ersten Entscheidungsinstanz in Asylsachen, in Wiener Neustadt. Darin lehnt ein Referent (Name der Redaktion bekannt) den Asylantrag eines zum Christentum konvertierten Afghanen ab. In der Begründung gibt er sich harsch.

"Fadenscheinig"

"Sie sind als Person auch völlig unglaubwürdig. Sie haben erst im Nachhinein, als Sie schon in Österreich gewesen sind und höchstwahrscheinlich auf die Unterstützung einiger kundiger Helfer zurückgreifen konnten, völlig neue Fluchtgründe vorgebracht! Auf völlig durchschaubare Art und Weise haben Sie dann mittels fadenscheiniger Begründungen Ihre Aussagen bei der Erstbefragung 'vom Tisch gewischt' und einfach angepasst", schreibt der Referent.

Inhaltlich geht es an dieser Stelle darum, dass sich der Asylwerber, früher Muslim, erst in Österreich taufen ließ. Und darum, dass er den Wechsel seines Glaubens vor Bekannten und Verwandten geheim hält: eine unter christlichen Konvertiten aus Ländern wie Afghanistan, wo ihnen der Tod droht, verbreitete Vorsichtsmaßnahme.

"Absolut berechnend"

Der Referent interpretiert das anders. Der Afghane habe sich in Österreich "ein Bleiberecht 'erschleichen'" wollen, meint er. Und schreibt: "Sie sind eine absolut berechnende Person. Ihr Verhalten in Österreich, sich heimlich aus der Unterkunft in die Kirche zu schleichen, wäre völlig ident mit Ihrem künftigen Verhalten in Afghanistan, wo Sie Ihren angeblichen Glauben auch im Geheimen ausüben könnten."

Als Grund für seine Konversion gab der Afghane an, vom Islam enttäuscht gewesen zu sein, etwa wegen der schlechten Behandlung von Frauen. Der Referent glaubt ihm das nicht: "Wieso sollten Sie ausgerechnet auf die Idee gekommen sein, sich für die westliche Kultur zu interessieren, bzw. für das Christentum? Das ist nicht plausibel. Sie haben wohl über viele Jahre lang zu hören bekommen, wie schlecht der Westen ist, weil er illegale Kriege führt, weil er unschuldige Menschen mit Drohnen bombardiert und tötet", glaubt er zu wissen.

Ausrufezeichen, Unterstreichungen, fett Gedrucktes

Auch über die zitierten Stellen hinausgehend strotzt der BFA-Bescheid – das Dokument einer Behörde der Republik – von Frage- und Ausrufezeichen, Unterstreichungen und fett gesetzten Passagen, die in solchen Schreiben sonst unüblich sind.

Alarmiert über den Ton des Bescheids ist der Rechtsvertreter des Afghanen, der Anwalt Georg Bürstmayr: "Was hier vorliegt, ist eine einzige sprachgewaltige Polemik, eine wutentbrannte Abrechnung", sagt er. Der "offene Spott" in dem Dokument mache ihn betroffen: "Damit verlässt das BFA den Konsens in Justiz und Verwaltung nach 1945, dem zufolge in jedem Verfahren jeder Partei ausnahmslos mit Respekt und Sachlichkeit begegnet werden muss."

Behörde setzt Maßnahmen

Aus dem Innenministerium hieß es auf STANDARD-Anfrage am Freitag, das BFA habe "sofort nach Bekanntwerden des Sachverhalts eine rasche Prüfung vorgenommen, um die erforderlichen behördeninternen Maßnahmen zu ergreifen". Man warte nun das Einlangen einer Beschwerde ab. Dem BFA sei "neben der Wahrnehmung seiner gesetzlichen Pflichten auch ein respektvoller Umgang mit den Parteien wichtig". (Irene Brickner, 25.5.2018)