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Wer dem Kleinroboter Lynx Anweisungen geben will, muss dafür Amazons Sprachassistentin Alexa nutzen. In Zukunft soll der US-Konzern nach dem Willen der EU-Kommission neue Regeln befolgen.

Foto: Reuters/Rick Wilking

Online-Marktplatzbetreiber wie Amazon oder Suchmaschinen wie Google sind aus der digitalen Wirtschaft kaum noch wegzudenken. Da Online-Plattformen an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden bzw. Nutzern liegen, können insbesondere größere Online-Plattformen und solche, die ein Nischengebiet abdecken oder eine neue Vermittlungsdienstleistung anbieten, eine "Gatekeeper"-Funktion ausüben. Unabhängig davon kann einer Online-Plattform eine starke Verhandlungsposition gegenüber gewerblichen Nutzern zukommen, wenn diese einen wesentlichen Teil ihrer Waren über die Plattform vertreiben.

So stoßen laut Umfrage beinahe 50 Prozent der europäischen Unternehmen, die auf Online-Plattformen tätig sind, bei deren Nutzung auf Schwierigkeiten. Dazu gehören unklare Vertragskonditionen und Ranking-Voraussetzungen oder der Ausschluss einzelner Unternehmen von der Nutzung der Plattform ohne nachvollziehbaren Grund. Schätzungen über die sich daraus ergebenden Verkaufseinbußen belaufen sich auf 1,27 bis 2,35 Milliarden Euro.

Mehr Transparenz

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission Ende April den Entwurf einer Verordnung zur Regulierung von Online-Plattformen veröffentlicht. Betreiber von solchen Plattformen werden nach diesem Entwurf künftig insbesondere umfassende Transparenzvorgaben in ihren Geschäftsbedingungen einhalten und interne Beschwerdesysteme einrichten müssen. Sofern der Verordnungsentwurf die Zustimmung von Europäischem Parlament und Rat erhält, wird die Verordnung voraussichtlich 2019 in Kraft treten. Bußgelder sind im Verordnungsentwurf nicht vorgesehen.

Die geplante EU-Verordnung soll vor allem für Unternehmen, die in ihrer Geschäftstätigkeit auf Online-Plattformen angewiesen sind, so etwa Online-Händler, Hotels und App-Entwickler, ein transparenteres und berechenbareres Geschäftsumfeld schaffen. Sie soll auf all jene Online-Intermediäre und Suchmaschinen anwendbar sein, die ihre Dienste an Unternehmen mit Sitz in der EU anbieten, wenn diese Unternehmen über jene Online-Intermediäre und Suchmaschinen ihre Waren und Dienstleistungen an EU-Konsumenten anbieten. Darunter fallen etwa auch Immobilienplattformen oder App-Stores.

Klare Geschäftsbedingungen

Zum Zweck der erhöhten Transparenz sieht der Verordnungsentwurf daher zunächst vor, dass Betreiber von Online-Plattformen ihre Geschäftsbedingungen klar und unmissverständlich formulieren und leicht zugänglich machen sollen. Über Änderungen der Geschäftsbedingungen müssen gewerbliche Nutzer grundsätzlich 15 Tage vorher informiert werden.

Der Entwurf sieht darüber hinaus zahlreiche weitere Pflichten für Betreiber von Online-Plattformen vor: etwa eine Begründungspflicht bei Entfernung oder Sperrung eines gewerblichen Nutzers und die Einhaltung einer Mindestankündigungsfrist für solche Handlungen; die Festlegung allgemeiner Kriterien für die Reihung von Produkten in Suchergebnislisten; Begründungspflichten sind etwa vorgesehen für Online-Plattformen, die neben ihrer Vermittlungsfunktion auch eine Händlertätigkeit ausüben, hinsichtlich von Unterschieden in der Behandlung des Eigen- und Fremdangebots sowie bei Verboten für gewerbliche Nutzer, ihre Produkte auf anderen Vertriebskanälen günstiger als auf der Online-Plattform zu vertreiben (derartige Bestpreisklauseln sind in Österreich ohnehin weitestgehend verboten). Schließlich müssen die Betreiber in ihren Geschäftsbedingungen darlegen, wer unter welchen Umständen Zugriff auf plattformbezogene Daten hat.

Breitere Informationsgrundlage

Im Übrigen dürfte die EU-Verordnung auch den Wettbewerbsbehörden gelegen kommen, da sich diese in Folge erhöhter Transparenz bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts – insbesondere dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung – auf eine breitere Informationsgrundlage stützen können.

Darüber hinaus müssen Plattformbetreiber Beschwerdesysteme zur Erleichterung der außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten einrichten. Eine Ausnahme besteht hier jedoch für Plattformen, die weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen und einen Jahresumsatz bzw. eine Jahresbilanz von nicht mehr als zehn Millionen Euro haben. Gleichzeitig ist die Durchsetzung vor (nationalen) Gerichten ausschließlich Interessenvertretungen vorbehalten. Ob etwa die Wirtschaftskammer Österreich eine solche Rolle tatsächlich wahrnehmen wird, bleibt abzuwarten. Laut Entwurf können diese – im Gegensatz zu einzelnen gewerblichen Nutzern – die einstweilige Untersagung von Verletzungen der Plichten sowie entsprechende Verbotsentscheidungen beantragen. Sonstige Sanktionen bei Missbeachtung, wie etwa Bußgelder, sieht der Verordnungsentwurf jedoch nicht vor. Das könnte in der öffentlichen Diskussion für Kritik sorgen.

Verschärfen oder abmildern

Der Entwurf muss noch das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union passieren. Es ist davon auszugehen, dass die Verordnung noch 2019 in Kraft treten wird. Die verschiedenen Stakeholder werden noch darauf drängen, den Entwurf entweder zu verschärfen – denkbar wäre z. B. eine Gleichbehandlungsverpflichtung von Plattformen gegenüber den Nutzern – oder abzumildern.

Für eine solche Verordnung gibt es kein internationales Vorbild, weshalb sie in den letzten zwei Jahren kontrovers diskutiert wurde. Die Europäische Union zeigt hiermit, dass sie Vorreiterin bei digitalen Zukunftsthemen sein möchte. Plattformbetreiber sowie gewerbliche Nutzer solcher Plattformen sollten die Entwicklungen jedenfalls genau beobachten, um ihre Geschäftsmöglichkeiten auch in Zukunft bestmöglich zu wahren. (Anna Wolf-Posch, Stefan Hirner, Patrick Samek, 28.5.2018)