Marni wäre ja mein Traum." Nora Krepart sitzt an einem Plastiktisch vor einem Beisl im zehnten Bezirk, hinter ihr im Fenster Blumentöpfe mit pinken Geranien, neben ihr ein Kleiderständer. An diesem hängt ihre Diplomkollektion, sie ist bereits in weiße Kleidersäcke verpackt.

Das RONDO-Modeshooting ist vor einer Viertelstunde zu Ende gegangen, und die 26-Jährige denkt laut darüber nach, welche Mode ihr gefällt und wo sie nach Beendigung ihres Studiums an der Modeklasse der Angewandten gern arbeiten würde. Dieser "sporty Twist bei Marni spricht mich an, ich mag aber auch Loewe oder Stella McCartney".

Dabei hat Nora Krepart, heute in Sneakern, dunkler Hose und weißem T-Shirt unterwegs, gerade wenig Zeit, über ihre berufliche Zukunft nachzudenken. Am Tag zuvor hat die gebürtige Deutsche erfahren, dass sie den mit 3000 Euro dotierten RONDO-Modepreis gewonnen hat, dann musste alles ganz schnell gehen. Die Kollektion wurde gleich am nächsten Morgen in einem Taxi zum Umspannwerk Favoriten transportiert und in den leerstehenden Räumen fotografiert, am nächsten Tag geht es weiter mit dem Feinschliff (Hüte, Taschen) an ihrer Diplomarbeit.

Entstanden ist eine vielstimmige Kollektion, die zeitgeistige Zutaten wie eine Hose aus schimmerndem Kunststoff neben eine kastige Jacke aus einem hochwertigen Wollstoff stellt: Dieses unaufgeregte Nebeneinander verschiedener Materialien und Oberflächen, von Blumenmustern und Strickstücken macht die Zugänglichkeit von Kreparts Kollektion aus.

Die Kollektion der Angewandte-Absolventin kann von Männern wie von Frauen getragen werden. Für das RONDO wurde Model Marei Buhmann im Umspannwerk Favoriten im 10. Wiener Gemeindebezirk fotografiert.
Foto: Luca Fuchs

Farbwelt der 1970er

Die 1970er-Jahre hat die Diplomandin nicht erlebt, die Faszination für die Farbenwelt von damals ist trotzdem in vielen Stücken zu spüren: Orange, Braun, Gelb, Pink – Krepart spielt die Kraft der Farben voll aus. Ein Buch des amerikanischen Fotografen Hugh Holland über die Skaterszene von Los Angeles hat sie zu ihrer Kollektion, die sie "Flowerboy" genannt hat, inspiriert: In dem Fotoband aus den 1970er-Jahren rollen braungebrannte, langhaarige Burschen und Mädchen im warmen Licht von L.A. über Skaterampen. Dass die Bilder bereits über vierzig Jahre alt sind, tun ihrer Lässigkeit keinen Abbruch, im Gegenteil. Mit ein wenig Fantasie kann man sich die Mädchen und Burschen von damals gut als "Flowerboys" und -"girls" im Heute vorstellen.

Sie selbst sei nie Skateboard gefahren, Nora Krepart schüttelt die blonden, halblangen Haare, an dem Buch haben sie weniger die Bretter auf Rollen als "die Farben, die Stimmung, der Streetstyle" fasziniert, erklärt sie. Aber auch dass in der Skateszene ganz unterschiedliche Altersgruppen aufeinandertreffen.

Ihre Mode sei nicht nur für Menschen zwischen 15 und 25 gemacht: "Die können auch Ältere oder Jüngere, Männer wie Frauen tragen." Der Facettenreichtum von Kreparts Mode zeigt sich während des Shootings im Umspannwerk Favoriten. Der Stylist kombiniert ein Outfit mit rot schimmernden High Heels (siehe Foto), Nora Krepart lässt ihn machen, sie mag diesen neuen Zugang zu ihren Entwürfen. In ihrem eigenen Lookbook hat sie ein männliches Model in ihre Kollektion gesteckt, auch das funktionierte.

Das Überwinden von Geschlechtergrenzen in ihrer Mode zu einem großen Thema zu machen ist Kreparts Sache nicht. Die Absolventin sagt lieber Sachen wie: "Es kann doch jeder tragen, was er möchte." Wie wichtig Styling und Inszenierung sind, hat sie zuletzt während eines Praktikums beim schwedischen Label Acne erfahren. "Der Stylistin Vanessa Reid zuzuschauen hat mich enorm inspiriert", erklärt Krepart. Zwischendurch hat die Schwäbin bei Adidas Praxisluft geschnuppert: "Ich schiebe ungern Dinge auf."

Die 26-jährige gebürtige Ulmerin Nora Krepart kam vor fünf Jahren zum Studieren nach Wien.
Foto: luca fuchs

Von Ulm nach Wien

So liest sich auch ihr Ausbildungsweg. Aufgewachsen in Ulm (der Heimat ihres ersten Uniprofessors Bernhard Willhelm), der Vater Schulleiter, die Mutter Pädagogin, ging es nach dem Abitur weiter nach Metzingen, eine Autostunde entfernt von ihrem Heimatort. Drei Jahre lang hat Krepart eine Schneiderlehre bei Hugo Boss gemacht, 2013 dann der Umzug nach Wien, gelockt hat nicht nur der Name Bernhard Willhelm, sondern auch die Atmosphäre an der Wiener Uni. Im Gegensatz zu manch anderen Studienkollegen musste Krepart nicht bei null beginnen: "Das Handwerk zu beherrschen hat mir am Anfang sehr geholfen."

Die Liebe zu handgemachten Details hält bis heute an. "Ich probiere gerne Dinge aus", erklärt Krepart. An ihrem gesmokten Kunststoffmantel (siehe Seite 9) hat sie lange getüftelt, die Fragestellung: Wie ziehe ich ein Material ein, das einfach nicht will?, forderte sie heraus. Dann wären da die Zeichnungen ihrer Schwester, einer Künstlerin, die sie auf den Rücken ihrer gelben Jacke übertragen hat. Und die Strickstücke in rostigem Braun und Pink, über die sich ein abstrahiertes Blumenmuster zieht: Die hat sie auf Strickmaschinen selbst produziert, "die tolle Jacquard-Strickmaschine kommt aber leider erst im nächsten Jahr an unsere Uni".

Es klingt ein ehrliches Bedauern durch, während Krepart das so sagt. Wien werde sie wohl bald verlassen müssen: "Es gibt ja keine Industrie hier", Krepart zuckt mit den Schultern. Vermissen? Werde sie vor allem das Entspannte hier, das Schwabenland ticke bekanntlich anders. Vielleicht wäre Italien ja gar keine so schlechte Lösung. (Anne Feldkamp, RONDO, 1.6.2018)

Die 1970er-Jahre lassen schön grüßen: Nora Krepart zitiert in ihrer Diplomkollektion die Farbenwelt von damals. In ihren Entwürfen treffen Blumenmuster auf Denim und Kunststoffe.
Foto: Luca Fuchs
Foto: Luca Fuchs
Foto: Luca Fuchs
Foto: Luca Fuchs
Foto: Luca Fuchs

Zum Weiterlesen:

RONDO-Modepreis 2017: Japanische Sexindustrie als Ausgangspunkt

Anna Schwarz gewinnt RONDO-Vöslauer-Modepreis 2016