Sonst sind sie immer wie die Geier, die Kollegen. "Geht die gut zum Fahren?", fragt der eine und will eigentlich nur wissen: "Darf ich a Runde damit fahren?". "Des Sitzbankl schaut so hart/bequem aus. Darf ich mich einmal draufsetzten?", fragt der andere und will eigentlich nur wissen, ob er die Schlüssel für zwei, drei Tage haben kann. "Darf ich einmal am Auspuff riechen, wenn sie rennt?" Da kommen die absonderlichsten Fragen – dabei ist die Antwort eh immer die gleiche. Mit kreidebeladener Stimme und der Mimik einer Prinzessin sage ich: "Na!" Und wenn wer sehr kreativ war beim Fragen, häng ich noch ganz lieb, aber doch ein sehr ernst gemeintes "Schleich dich!" an.

Am liebsten würde ich 25 Stunden am Tag auf den Testmotorradln sitzen, und wenn es nur ist, damit es kein anderer kann.
Foto: Christian Hlinak

Als ich die Africa-Zwirn in der Redaktion abgestellt habe, war ich mir schon sicher, diesmal härtere Geschütze auffahren zu müssen. Mit einem "Schleich dich!" werden sich die Experten nicht abspeisen lassen. Doch nix. Nicht einmal "Die ist aber bunt" oder ein heuchlerisches "Ist das deine?", wo doch eh jeder weiß, dass die alte blaue Reiben im hinteren Eck der Garage, die Rodel mit dem Patschn und dem Leck im Tank, meine ist. Ich hab ein ziemliches Zeiterl gebraucht, um zu kapieren, warum die Africa Twin so geschnitten wird.

So schön ist sie, die Africa Twin, aber niemand hat sich um eine Proberunde gerissen.
Foto: Christian Hlinak

Erst dachte ich natürlich, das liegt am Doppelkupplungsgetriebe: DCT, Double Clutch Transmission. Da simma nicht männlich genug, wenn wir nicht selbst mit dem schon komplett zusammengenudelten Goiserer im Getriebe umrühren. Was natürlich ein kompletter Blödsinn ist. Die Zwirn – sehen Sie, jetzt ist es mir echt schon wieder passiert, ich sag immer Zwirn zu ihr, Africa-Zwirn, wenn ich viel Zeit hab. Keine Ahnung, warum mich dieses unnötige Wortspiel so fesselt, weil eigentlich passt ja Zwirn gar nicht. Das Einzige, was die Africa Twin und ein Zwirn gemeinsam haben, ist des voll arge Einfädeln. Mit der Dicken zwischen den Autokolonnen, wo du aufpassen musst, dass du mit den Lenkerenden nicht mit dem Seitenspiegel auch gleich die Tür aus dem Auto reißt, und beim Zwirn ins Nadelöhr, was auch einer gewissen Feinmototrik bedarf, will man nicht vorzeitig blutüberströmt aufgeben müssen.

Doppelkupplungsgetriebe. Rechts drückt man D oder S für Drive oder Sport, und am linken Lenkerende kann man die Gänge auch manuell wechseln.
Foto: Christian Hlinak

Jedenfalls, die Zwirn mit dem Doppelkupplungsgetriebe, die fährt sich extrem luxuriös. Inzwischen passen die Schaltzeitpunkte der Automatik schon sehr gut, und es kommt nur noch manchmal vor, dass man sich fragt, ob sie jetzt eh irgendwann doch noch weiterschalten will oder nicht. Selbst in der Kurve, wenn sie da einen Gang nachlegt, seidenweich. Wie oft passiert es, dass du schon vor der Kurve wissen musst, welcher Gang jetzt passt, wenn du nicht mit dem Fußspitzerl unterm Schalthebel den Asphalt aufreißen willst. Das Problem ist jetzt jedenfalls gelöst.

Der fehlende Hebel beim linken Fuß fehlt eigentlich gar nicht.
Foto: Christian Hlinak

Selbst abseits der Straße funktioniert die Idee mit der Doppelkupplung gut. Man schaltet die Traktionskontrolle auf die niedrigste Stufe, dreht den Gashahn auf Anschlag, und sofort schießt einem das Adrenalin ein. Die Traktionskontrolle hält die Fuhre so sehr zurück, dass sich eine feine Mischung aus einer mörderischen Beschleunigung mit kleinen Driftwinkeln ergibt. Und damit man sich voll und ganz der eigenen Ergriffenheit widmen kann, legt das Getriebe selbst die Gänge nach, bis einem angst und bang wird.

Auch am Schotter kann man den Gashahn digital bedienen. Die Traktionskontrolle passt schon auf, dass nix passiert.
Foto: Christian Hlinak

Die üblichen Verdächtigen angesprochen, die sonst die Motorradln immer anträschgern, in der Hoffnung, dann zumindest einmal drüberwischen zu dürfen, reagieren auf das DCT gelassen. Der Tenor: Kennt man vom Auto, brauch ich nicht unbedingt am Motorrad, ist aber vielleicht sogar lässig.

Die Reifen halten gut auf der Straße, machen aber auch auf Schotter Spaß.
Foto: Christian Hlinak

Also das Doppelkupplungsgetriebe war es nicht, warum die Kollegen die Zwirn mieden. Honda hat sowieso mehr Fans als etwa eine MZ, auch wenn sogar für zweitere Marke der Zuspruch permanent größer wird. Fesch fanden die Zwirn eigentlich auch alle, hat man sie dezidiert danach gefragt. Die Reifen, die eine gelungene Mischung für Fahrten auf der Straße und im Schotter sind: volle Zustimmung. Und dennoch, kein Geraunze um den Schlüssel, als ob die Zwirn die Krätze hätte. Dass der Bock, so wie er dasteht als Adventure Sports DCT, 18.190 Euro kostet, kann kein Grund sein, das war noch bei jedem Bock wurscht.

Mehr als 18.000 Euro kostet die doppelgekuppelte Adventure Sports Africa Twin.
Foto: Christian Hlinak

Zu guter Letzt half alles nichts mehr. Ich musste alles auf eine Karte setzen, in der Hoffnung, nicht selbst in eine Falle zu tappen. Ich suchte mir einen Kollegen aus, der beim Thema Motorrad so labil ist, dass er alles rund um sich vergisst, wenn ein Motorradmotor in Hörweite rennt.

Insignien der Abenteuerlust.
Foto: Christian Hlinak

Etwas zurückhaltend vielleicht, ja, bot ich ihm aus ganz freien Stücken an, eine Runde damit zu fahren. Ich zog den Kopf ein, um sicherzugehen, dass er mir keinen Knutschfleck macht, wenn er mir um den Hals fällt. Doch das tat er nicht. Ein respektvolles "Arschloch" war die einzige Antwort. Er drehte am Absatz um und ging ab. Wenig später verriet er mir Flehendem dann doch noch den Grund, warum er keine Runde mit der Africa Twin drehen wollte: "Des Sitzbankl hab ich auf Schulterhöhe. Da komm ich nur mit einer Leiter rauf und nur mit dem Gesicht voran wieder runter." Ich bückte mich, küsste ihn sanft auf die Stirn und war froh, dass niemand wusste, dass man die Sitzbank, die eh nur eine Sitzhöhe von 920 Millimeter hat, auch noch um zwei Zentimeter tiefer stellen kann. (Guido Gluschitsch, 7.6.2018)