Porträts einer anonymisierten Gesellschaft trieben den Fotografen Bishin Jumonji erstmals 1971 um.

Foto: Bishin Jumonji

Yoshihiro Tatsuki verknüpft Ideen der westlichen Modefotografie mit japanischen Bildtypen.

Foto: Yoshihiro Tatsuki

"Unerträglich verlogen" sei sie, die Modefotografie. Deren Bilderflut plagte Nobuyoshi Araki mehr als sein "chronischer Durchfall und die Mittelohrentzündung". So notierte es der japanische Fotograf im Künstlerbuch Sentimental Journey (1971), das einen radikalen Gegenentwurf zur herkömmlichen Magazinfotografie bot.

Der berühmte Band dokumentiert die Flitterwochen mit Ehefrau Yoko in Akten und beiläufig wirkenden Momentaufnahmen. Araki, der es als Pressefotograf gewohnt gewesen war, das Objektive anzuvisieren, verlegte sich radikal auf die "Ich-Perspektive".

Mit dieser Entdeckung der Subjektivität repräsentiert er eine ganze Generation japanischer Fotografen. Einige davon zeigt das Museum der Moderne Salzburg in der Ausstellung I-Photo im Rupertinum. Ganz unterschiedliche Ansätze, im Japan der Nachkriegszeit die Bildhoheit der Massenmedien zu unterwandern, sind zu erschließen.

Daidō Moriyama: "Stray Dog, Misawa" (1971)
Foto: Daidō Moriyama

Eine tiefer greifende Neudefinition der Bildsprache hatte etwa Daidō Moriyama im Sinn. Grobkörnig und manchmal bis zum Äußersten kontrastreich sind seine aus der Hüfte geschossenen Bilder, die Abgründe des urbanen Lebens sichtbar machen sollen. Tiefe Schatten legen sich auf ein Wohnhaus; wie lebendig gewordenes Fernsehrauschen wirkt üppige Vegetation am Straßenrand in einer Fotografie, in der Grautöne quasi gänzlich ausgemerzt wurden.

Ausschnitthaftigkeit bestimmt viele Fotografien. Statt sich einem nicht einzufangenden Big Picture zu widmen geben Fotografen wie Takashi Hanabusa Details den Vorzug. Aus der Nähe erleben sollte man jene Fotografie, die auf die Gänsehaut einer Passantin konzentriert ist.

Wie eine eigenartige Variation auf das fotografische Gesellschaftspanorama August Sanders mag im Übrigen eine Serie Bishin Jumonjis wirken: Er porträtierte Rocker, Tänzer, Bodybuilder – jedoch stets ohne Kopf. Damit spielte er auf die Anonymität in der Metropole Tokio an. (Roman Gerold, 28.5.2018)

Ein kleiner Ausschnitt aus dem urbanen Großen und Ganzen ist dieses undatierte Bild von Takashi Hanabusa.
Foto: Takashi Hanabusa