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Carlo Cottarelli bei der Ankunft im Quirinalspalast.

Foto: REUTERS/Tony Gentile

Die Hauptdarsteller in Italiens Regierungsbildungsdrama (zum Vergrößern bitte anklicken).

Der Auftrag zur Regierungsbildung an Carlo Cottarelli am gestrigen Montag wurde von Staatspräsident Sergio Mattarella "mit Vorbehalt" ausgesprochen – doch das war kein Zeichen von Misstrauen, sondern bloß eine übliche Formalfloskel. Sollte diese Übergangsregierung aus Fachleuten zustande kommen, erwartet sie jedenfalls keine einfache Aufgabe: Dass Cottarelli im Parlament das Vertrauen erhält, gilt als beinahe ausgeschlossen. Der Grund: Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega, deren Regierungspläne am Sonntagabend geplatzt sind, haben bereits angekündigt, Cottarelli das Vertrauen zu verweigern. Dasselbe hat später auch Ex-Premier Silvio Berlusconi im Namen seiner Partei Forza Italia angekündigt.

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Die Übergangsregierung wird freilich auch ohne Vertrauen des Parlaments operativ – ihre Hauptaufgabe wird darin bestehen, den Staatshaushalt für das Jahr 2019 zu erarbeiten und das Land anschließend zu Neuwahlen zu führen. Diese werden laut Cottarelli "nach August" oder aber "Anfang 2019" stattfinden – wobei das spätere Datum nur in Betracht komme, falls ihm das Parlament wider Erwarten doch noch das Vertrauen aussprechen sollte. "Meine Regierung wird politisch neutral sein und eine vorsichtige Finanzpolitik garantieren", sagte der ehemalige IWF-Ökonom. Außerdem sei die Absicherung der Zugehörigkeit Italiens zur Eurozone "essenziell".

Genau die Frage des Euro hatte am Sonntagabend zum Eklat geführt: Mattarella verweigerte die Ernennung des Eurogegners Paolo Savona zum Wirtschafts- und Finanzminister einer Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega. Der designierte Premier Giuseppe Conte legte daraufhin umgehend sein Mandat zurück, Cinque-Stelle-Chef Luigi Di Maio und Lega-Führer Matteo Salvini forderten sofortige Neuwahlen.

Die Gräben werden tiefer

Mit der Bildung einer Übergangsregierung ist die tiefe Staatskrise nicht ausgestanden. Im Gegenteil: Die Gräben zwischen den Institutionen und den Antisystemparteien Lega und Cinque Stelle sind nur noch tiefer geworden. Di Maio fordert gar ein Amtsenthebungsverfahren gegen Mattarella, weil dieser die Bildung einer von der Mehrheit der Italiener gewählten Regierung der beiden Parteien verhindert habe. Damit habe das Staatsoberhaupt die demokratischen Spielregeln aufs Schwerste verletzt. "Mattarella würde uns noch am Regieren hindern, sogar wenn wir bei den Wahlen 80 Prozent der Stimmen erhielten", ätzte Di Maio.

Das ist natürlich Unfug. Mattarella wehrte sich lediglich gegen ein Ultimatum des Duos Salvini und Di Maio, das ihm Savona aufzwingen wollte. Das konnte sich Mattarella nicht bieten lassen – aus formellen und auch aus inhaltlichen Gründen nicht. Laut Verfassung müsse er die Interessen der italienischen Sparer und Familien wahren, betonte das Staatsoberhaupt. Die Ernennung Savonas hätte an den Finanzmärkten zu einem Vertrauensverlust und zu Zinsaufschlägen geführt, die diesen Interessen geschadet hätten.

Wahlkampf um den Euro

Mit Savona, so Mattarella, "wäre ein Austritt Italiens aus dem Euro wahrscheinlich und vielleicht sogar unausweichlich geworden". Die Zugehörigkeit zur Einheitswährung sei aber "von fundamentaler Bedeutung für die Zukunft unseres Landes und unserer Jugend". Wenn man den Euro infrage stellen wolle, dann müsse man dies offen tun und sich seriös mit den eventuellen Folgen auseinandersetzen. Mattarella legte den Finger auf einen weiteren wunden Punkt: "Der Euroaustritt war im Wahlkampf kein wichtiges Thema." Tatsächlich hatte Di Maio vor den Wahlen sogar erklärt, das einst von Parteigründer Beppe Grillo geforderte Euroreferendum sei für die Cinque Stelle vom Tisch.

Doch nun steht das Thema wieder im Raum, mächtiger und brisanter denn je. "Eines ist sicher: Die nächsten Wahlen werden zu einem Referendum zwischen denen, die ein freies Italien wollen – und den anderen, die ein versklavtes Italien vorziehen", polterte Salvini. Heute sei Italien kein freies Land mehr, es sei "finanziell besetzt von den Deutschen, den Franzosen und den Eurobürokraten". Di Maio stößt ins gleiche Horn: "Wer in Italien regiert, das wird heute von den Ratingagenturen entschieden."

Das zerrissene, von einer jahrelangen Krise gebeutelte Italien wird wohl einen gehässigen Wahlkampf über den Verbleib des Landes im Euro und in der EU erleben. Der Ausgang ist heute ungewiss und wird auch davon abhängen, ob die Fünf Sterne und die Lega schon vor der Wahl ein Bündnis eingehen werden.

Eines steht aber fest: Sollten die Antisystemparteien auch die Neuwahlen gewinnen – laut Umfragen dürfte vor allem die rechte Lega noch deutlich zulegen -, dann wird Mattarella die Bildung einer Regierung der Europa- und Eurogegner wohl kein zweites Mal verhindern können. (Dominik Straub aus Rom, 28.5.2018)