Der Anwalt Anwar al-Bunni reist durch Europa, um Gerechtigkeit für Opfer des syrischen Geheimdienstes zu erreichen.

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Wien – Ende Jänner besuchte Syriens Geheimdienstchef Ali Mamlouk Italien. Obwohl der Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros hinter Präsident Baschar al-Assad und dessen Bruder Maher auf Platz drei der schwarzen Liste der EU steht, ließen ihn seine Gastgeber vom italienischen Auslandsgeheimdienst AISE per Privatjet einfliegen und zurückbringen.

Dass einer der Hauptverantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen in Syrien unbehelligt in die EU ein- und wieder ausreisen darf, empört Aktivisten vom Center for the Enforcement of Human Rights International (CEHRI) aus Wien und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) aus Berlin, die gemeinsam mit den syrischen Juristen Anwar al-Bunni und Mazen Darwish erreichen wollen, dass in der EU Anklage gegen die Verantwortlichen erhoben wird.

Am Dienstag wurden bei einer von Exdiplomat Wolfgang Petritsch organisierten Pressekonferenz in Wien die ersten Strafanzeigen, die in Österreich eingebracht wurden, präsentiert. Insgesamt 16 Folterüberlebende, darunter ein österreichischer Staatsbürger, wollen Mamlouk und 23 weitere namentlich genannte Personen wegen Folter, Mordes, schwerer Körperverletzung und Freiheitsentzugs vor Gericht sehen. Die Medizinische Universität Wien hat die Folterspuren dokumentiert.

Beispiel Pinochet

"Am Beispiel des vor 20 Jahren in London festgenommenen chilenischen Exdiktators Augusto Pinochet sieht man, wie wichtig solche Ermittlungen sind: Der spanische Richter Baltasar Garzón hatte drei Jahre lang gegen den Diktator ermittelt und konnte so bei dessen Einreise nach Europa seine Verhaftung beantragen", erklärte ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck, "Ziel ist, dass die Angeklagten bereits bei der Einreise erkannt werden und nicht dann erst Ermittlungen eingeleitet werden."

Der syrische Menschenrechtsaktivist Mazen Darwish erklärte, hunderttausende seiner Landsleute strebten die Rückkehr in ihre Heimat an. Dafür seien allerdings politische und humanitäre Konzepte erforderlich. Das Beispiel der Luftangriffe gegen die Terrororganisation Al Kaida im Irak, die ohne solche Konzepte angeordnet wurden und letztlich zur Gründung der Jihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS) geführt hätten, zeige, wie wichtig ein solches Signal an die syrische Jugend sei: "Ihr könnt auch Gerechtigkeit erreichen, ohne euch Gruppen wie dem IS anzuschließen."

Justizministerium zeigt Interesse

Petritsch berichtete, dass das Justizministerium großes Interesse an dem Verfahren habe. Da das Thema eine "wesentliche Community in Österreich" betreffe, erwartet Petritsch "Handlungsbedarf aufseiten der Regierung". Zu diesem Zweck müsse eine spezialisierte Ermittlungseinheit gegründet werden, wie es sie in Deutschland bereits gibt.

Das ECCHR hat in verschiedenen europäischen Ländern auch Strafanzeige gegen die "Architekten" des US-Foltersystems im Namen des sogenannten Kriegs gegen den Terror, darunter die designierte CIA-Chefin Gina Haspel, gegen die Verantwortlichen für Folter in Bahrain und gegen Fälle von Folter durch britische Militärs im Irak eingebracht. (Bert Eder, 29.5.2018)