Bis 2025 soll es in Wien ein Verhältnis von 80 Prozent Öffis bzw. Fußgängern und Radfahrern zu 20 Prozent Autofahrern geben.

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Einen Tag nachdem Wiens Vizebürgermeisterin, Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne), eine Citymaut für Wien ins Spiel brachte, kommen weitere Reaktionen – und zwar in großteils dramatischen Tönen. Da ist die Rede von einer "schwachsinnigen Idee" (FPÖ-Parlamentsklub), von einem Vorschlag, der "realitätsfremd und unsozial" (ARBÖ) sei, sowie von einem "planlosen Schnellschuss" (Wirtschaftskammer Burgenland).

Verkehrsminister dagegen

Diplomatisch formuliert ist da noch die Reaktion von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ): "Ich lehne den Plan ab, muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es sich dabei um eine Entscheidung der Wiener Stadtregierung handelt." Entscheide sich die Stadt für die Maut und setze – wie es Vassilakou in Aussicht gestellt hat – die Einnahmen für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs ein, könne das zu weniger Mitteln aus dem Bund führen, merkt Hofer an. Bis jetzt ist der Bund über eine 15a-Vereinbarung zu 50 Prozent an Errichtungskosten neuer U-Bahnen beteiligt.

Verfassungsrechtliche Bedenken gibt es vom Finanzministerium. Von Pendlern Gebühren einzuheben könne auch europarechtlich problematisch werden.

Große Ziele bis 2025

Dass Vassilakou die Citymaut mit dem gestiegenen Verkehrsaufkommen durch den Lobautunnel argumentiert, ist für Hofer nicht nachvollziehbar. Der Tunnel bringe schließlich eine Entlastung.

Für die Wiener Pläne könnte das allerdings zu wenig sein. Bis 2025 soll es in der Stadt ein Verhältnis von 80 Prozent Öffis bzw. Fußgängern und Radfahrern zu 20 Prozent Autofahrern geben. Nach der Einführung des 365-Euro-Jahreskarte könne die Citymaut für Einpendler als "nächster großer Wurf" zur Erreichung dieses Ziels beitragen, argumentiert die grüne Stadträtin.

Was in Österreich aktuell für hitzige Diskussionen sorgt, ist in anderen europäischen Städten längst umgesetzt – allerdings jeweils auf unterschiedliche Art und Weise.

In London wieder mehr Verkehr

In London ist das von der Maut betroffene Gebiet gut 22 Quadratkilometer groß – seit 15 Jahren müssen Autofahrer zahlen, wenn sie hineinwollen. Laut den Londoner Verkehrsbetrieben hat der Privatverkehr in der Innenstadt dadurch stark abgenommen – und zwar um 27 Prozent bzw. 80.000 Fahrzeuge jährlich. Staus gibt es dennoch – Paketzusteller und alternative Taxianbieter wie Uber haben das Verkehrsaufkommen in den letzten Jahren wieder steigen lassen.

Flexibles Tel Aviv

Eine dynamische Maut gibt es in Tel Aviv: Autofahrer können auf eine gebührenpflichtige Sonderspur auf der besonders von Staus betroffenen Autobahn zwischen Tel Aviv und Jerusalem ausweichen. Die Maut, die sie für diese Straße zahlen müssen, orientiert sich an der Verkehrsdichte und ist somit variabel. Möglich ist das durch eine videobasier- te Nummernschildanalyse – die variable Gebühr wird auf den Wechselverkehrszeichen angezeigt. Damit die Menschen zur Bildung von Fahrgemeinschaften bzw. der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ermutigt werden, sind Autos mit mehr als drei Insassen von der Gebühr befreit.

Autofreies Oslo

Auf dem Weg zur komplett autofreien Stadt befindet sich die norwegische Hauptstadt Oslo. Bereits 1990 wurde eine Citymaut eingeführt, nun sollen Parkplätze in Grünflächen umgewandelt werden. Bis Ende des Jahres soll es 700 Parkplätze weniger in der Stadt geben, die Autos sollen in Tiefgaragen außerhalb abgestellt werden. "Wir wollen den Individualverkehr stark reduzieren, aber natürlich verbannen wir Autos nicht. Wir sind mit Unternehmen in Kontakt und wissen natürlich, dass sie Fahrzeuge in der Innenstadt benutzen müssen", sagt Vizebürgermeisterin Hanna Marcussen am Rande der Urban Future Global Conference zum STANDARD. Die Stadt investierte in den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und motivierte zum Umstieg auf Elektroautos – 47 Prozent der Neuzulassungen würden bereits in diese Kategorie fallen.

Viele Umweltzonen in Deutschland

In Oslo geht es also nicht nur um eine Verkehrsberuhigung, sondern auch um eine bessere Luftqualität. Deswegen solle auch der öffentliche Verkehr bis 2020 emissionsfrei werden. Um Umweltziele zu erreichen, werden in vielen anderen Städten statt der Citymaut Umweltzonen als Maßnahme herangezogen. In Deutschland gibt es mittlerweile 58 dieser Zonen, in 57 davon sind nur Fahrzeuge mit einer grünen Plakette zulässig.

Ludwig hat Bedenken

Wie das Modell in Wien aussehen könnte, lässt Vassilakou bewusst offen, sie will Ideen sammeln. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist für eine Diskussion zwar offen, er präferiere allerdings Anreize statt Sanktionen für den Umstieg auf Öffis. Mehrere Punkte sprächen gegen die Citymaut: Die Wiener Bevölkerung habe dagegen votiert, und die Parkraumbewirtschaftung funktioniere. (lhag, 29.5.2018)