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Unbekannte haben Staatspräsident Sergio Mattarella, dessen Bruder 1980 von der Mafia ermordet wurde, den Tod gewünscht. Die Polizei ermittelt.

Foto: Fabio Frustaci/ANSA via AP

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Cool wie ein FBI-Agent: Carlo Cottarelli auf seinem Weg ins Parlament, wo er am Dienstag seine Ministerliste komplettieren wollte.

Foto: AP/ ANSA /Angelo Carconi

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Silvio Berlusconi, 81 Jahre alt, wittert bei Neuwahlen seine – wohl letzte – Chance.

Foto: AP Photo/Darko Vojinovic

Vieles in Italien erinnert dieser Tage an längst vergangene Zeiten vor 40 Jahren. Damals, in den "bleiernen Jahren", waren die Fronten zwischen den politischen Kräften des Landes – das waren die Christdemokraten und die Kommunisten – ganz besonders verhärtet und die Gräben ganz besonders tief.

Und auch heute stehen die Zeichen auf Dauerkonflikt. Da droht etwa der politische Chef der an der Regierungsbildung gescheiterten Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, mit Obstruktion und Massenprotesten – egal, wie die Regierungsbildung unter dem Ökonomen Carlo Cottarelli verlaufen wird. "Hängt die Tricolore an eure Fenster!", appellierte er an seine Anhänger – als ob Italien als gesamte Nation dem Untergang geweiht sei.

Für den kommenden Tag der Republik am 2. Juni kündigte Di Maio Massenkundgebungen in allen größeren Städten des Landes an. Unterstützt wird diese Initiative von seinem Kompagnon, Lega-Chef Matteo Salvini: "Eigentlich hätten wir diesen Tag feiern wollen, weil wir hofften, da an der Regierung zu sein. Aber nun werden wir auf tausend Plätzen sein, um zu erklären, dass jemand Schuld daran hat, dass wir nicht regieren können."

Mattarella, der "Schuldige"

Dieser "Schuldige" ist schnell ausgemacht: Sergio Mattarella. Der Staatspräsident hatte die Pläne Di Maios und Salvinis mit dem Juristen Giuseppe Conte als Ministerpräsident zunichtegemacht, indem er den streitbaren Eurogegner Paolo Savona als "Superminister" für Wirtschaft und Finanzen abgelehnt hatte.

Der 76-jährige Verfassungsrechtler Mattarella wurde seit Sonntagabend – als er sein Veto gegen Savona einlegte – in den sozialen Medien des Landes wüst beschimpft und mitunter auch bedroht. Unbekannte wünschten dem Sizilianer den Tod – wie jenen seines Bruders Piersanti, der 1980 als Präsident des sizilianischen Regionalparlaments von der Mafia ermordet wurde. Andere bezeichneten ihn als "Diktator".

Zusammenschnitt von Drohungen aus sozialen Medien gegen Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella.
Rewind

Während die Polizei Ermittlungen wegen Morddrohungen aufgenommen hat, erklärten sich die Sozialdemokraten, die nun den Sessel des Regierungschefs räumen müssen, solidarisch mit Mattarella. Sie riefen für Freitag zu Demonstrationen in Rom und Mailand auf. Gemeinsam wollen sie damit die staatlichen Institutionen und das Amt sowie die Person des Präsidenten verteidigen.

Vor diesem Hintergrund wurde am Dienstagabend auch der Gang des designierten Premiers Carlo Cottarelli zu Präsident Mattarella am römischen Quirinalshügel zum Sicherheitsproblem. Die Polizei verstärkte schon vor Tagen ihre ohnehin schon weithin sichtbare Präsenz rund um die Regierungsgebäude in Rom.

Hürde Misstrauensvotum

Cottarelli hat aber noch ganz andere, nämlich politische Probleme: Wann immer er mit einem Regierungsteam die Arbeit aufnehmen möchte, braucht er die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich, um etwa das dringend notwendige Budgetgesetz für 2019 durchzubringen. Ob das gelingt, ist mehr als fraglich: Die bisher regierenden Sozialdemokraten pokern schon im Hinblick auf den kommenden Wahlkampf und werden sich wohl der Stimme enthalten.

Von den Fünf Sternen, der Lega und anderen Rechtsparteien ist auch ein Nein zu erwarten. Und sollte Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia ausscheren und für Cottarelli stimmen, dann wäre das nach einer entsprechenden Drohung Salvinis an Berlusconis Adresse auch das Ende des bei der Wahl vom 4. März so erfolgreichen Mitte-rechts-Bündnisses.

Doch vielleicht hat der bereits 81-Jährige genau das vor: Da sein Ämterverbot infolge einer Verurteilung wegen Korruption vor wenigen Wochen vorzeitig auf gehoben wurde, darf Berlusconi wieder selbst kandidieren. Und eines hat der viermalige Skandalpremier stets bewiesen: ein brillanter Wahlkämpfer zu sein. (Gianluca Wallisch, 29.5.2018)