Athen – Dritter Akt, vierte Szene in Athen: Kurz vor Abschluss der vierten und letzten Überprüfung der Haushaltsplanung der griechischen Regierung durch die europäischen Gläubiger haben die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst am Mittwoch einmal mehr einen landesweiten Streik organisiert. Der Protest, der auch den Flugverkehr beeinträchtigt, kommt zudem kurz vor Auslaufen des letzten der drei Kreditprogramme, die Athen seit 2010 aufgenommen hat.

Pensionen und Streikrecht

Auf dem Omonia-Platz im Zentrum von Athen versammelten sich am Vormittag mehrere tausend Mitglieder und Sympathisanten vor allem der kommunistischen Gewerkschaft Pame für den üblichen Marsch zum Parlament auf dem Syntagma-Platz. Sie protestierten gegen weitere Lohnkürzungen, die schon für August erwartet werden, und bereits beschlossene neuerliche Abstriche bei den Pensionen sowie die Erhöhung des Quorums für Streikbeschlüsse von Arbeitnehmern.

DER STANDARD

"Wir streiken für das Recht auf eine ordentliche Bezahlung. Sie versuchen dieses Recht niederzureißen", sagt Angelo, ein junger Postbeamter, der mit seinen Kollegen aus einer Filiale in Elliniko im Süden Athens zum Protestmarsch gekommen ist.

Ein Kompromiss

Die linksgeführte Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte bereits im Jänner auf Verlangen der Gläubiger das erforderliche Quorum für einen Streikbeschluss von 20 auf 50 Prozent angehoben. Der Kompromiss, den die Regierung aushandelte, ist, dass nun mehr als 50 Prozent der beitragszahlenden Mitglieder einer Gewerkschaft an einer Versammlung für einen Streikbeschluss teilnehmen müssen; für die Entscheidung selbst, so rechtfertigte sich Tsipras, genügt dann eine einfache Mehrheit – unter Umständen also weniger als 50 Prozent. Die Gewerkschaften sehen darin eine Aushöhlung ihres Streikrechts.

Im Zentrum Athens versammelten sich Mitglieder und Sympathisanten vor allem der kommunistischen Gewerkschaft Pame für den Marsch zum Parlament.
Foto: AFP/ARIS MESSINIS

Bis Mitte Juni soll das Parlament die letzten ausstehenden Reformforderungen der Gläubiger als Gesetz angenommen haben. Die Finanzminister der Euroländer würden dann in ihrer Sitzung am 21. Juni die Auszahlung der letzten Kreditrate freigeben.

88 Maßnahmen

Insgesamt stehen noch 88 vereinbarte Reformmaßnahmen aus. Ein Teil ist beschlossen, aber noch nicht umgesetzt, 50 müssen noch als Gesetz angenommen werden. Neuerliche Pensionskürzungen sollen mit Jahresbeginn 2019 in Kraft treten. Die Regierung versucht mit Blick auf die regulär im September 2019 anstehende Wahl nachträgliche Änderungen. Noch nicht entschieden sind der Mechanismus und der Umfang der haushaltspolitischen Überwachung der griechischen Regierung nach Ende des Kredit- und Sparprogramms im August dieses Jahres. Griechenland soll bis wenigstens 2022 jährlich einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erarbeiten.

Angesichts der politischen Krise in Italien fürchtet die griechische Regierung Auswirkungen auf die eigene Position auf den Finanzmärkten. Der Zinsaufschlag für zehnjährige Staatsanleihen stieg innerhalb einer Woche von 4,26 Prozent am vergangenen Donnerstag auf 4,80 am Mittwoch. Am letzten Apriltag waren es noch 3,87 Prozent. (Markus Bernath, 30.5.2018)