Der Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen wird laufend überwacht, obwohl das neuartige System auf elektronische Komponenten im Bett verzichtet.

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Die Idee gibt es seit vielen Jahrzehnten: Die ballistischen Kräfte, die durch das Pumpen von Blut durchs Herz frei werden, erzeugen einen kleinen "Rückstoß" – fast unmerkliche Bewegungen des Körpers, die man mit sensiblen Instrumenten messen kann. Früher wurde dafür etwa mit an Seilen hängenden Betten experimentiert, deren Schwingungen Aufschluss über die Herztätigkeit geben sollten.

Mit der Verfügbarkeit neuartiger Sensorik wurde dieses Prinzip der Ballistokardiografie wieder zum Thema. Das Innsbrucker Start-up Cubile Health hat darauf aufbauend eine Sensorlösung entwickelt, die als multifunktionales Monitoring-Werkzeug für den Pflege- und Medizinbereich dienen soll.

"Während Patienten auf Intensivstationen engmaschig überwacht werden, kann auf Normalstationen und in Pflegeheimen oft nur alle paar Stunden eine Kontrolle erfolgen. Diese Lücke wollen wir schließen", erklärt Unternehmensgründer Johannes Hilbe. Dafür haben er und seine Kollegen ein mittlerweile auch patentiertes Sensorsystem entwickelt.

Ein Luftdrucksensort reicht

"Wir sind stolz darauf, dass wir keine Elektronik im Bett benötigen", betont Hilbe. Das System besteht aus einem dünnen Luftkissen, das unter die Matratze des Pflegebetts geschoben wird. Vom Kissen führt eine Luftleitung heraus aus dem Bett zu einem Minicomputer. Dort misst ein Sensor kleinste Veränderungen des Drucks im Luftkissen, die durch Bewegungen des Patienten entstehen. Mit eigens entwickelten, zum Teil auf Methoden des maschinellen Lernens basierenden Algorithmen werden Muster in den Daten erkannt.

Die aufbauenden Monitoring-Lösungen dienen etwa der Sturzprävention, indem sie Auskunft geben, wenn ein Patient das Bett verlassen will. Im Rahmen einer Dekubitus-Prophylaxe meldet das System, wenn eine Person neu positioniert werden sollte, weil die Gefahr des Wundliegens besteht. Informationen der Atemfrequenz können ebenso wie jene der Herzfrequenz Auskunft über den Vitalzustand geben. "Pflegepersonal kann etwa per Alarm darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Herzfrequenz eines Patienten etwa in Folge von Fieber oder Schmerzen um zehn Schläge angestiegen ist", gibt Hilbe ein Beispiel.

Daten und entsprechende Grafiken werden auf Tablets und Smartphones angezeigt. "Das Pflegepersonal hat dann etwa einen Monitor mit den Daten von 20 Patienten einer Station vor sich. Ein Ampelsystem zeigt Grün an, wenn alles okay ist, wechselt auf Orange, wenn eine Kontrolle fällig ist, und auf Rot, wenn die Herzfrequenz plötzlich steigt", veranschaulicht der Gründer.

Praxistest im Herbst

Das Unternehmen bringt seine Entwicklung 2018 auf den Markt. "Im Herbst wird das System erst einmal in der Praxis eingesetzt", sagt Hilbe. Zielgruppe sind in erster Linie Krankenhäuser und Pflegeanstalten, später wolle man auch Produkte am "Riesenmarkt" der Heimpflege anbieten. Zudem gibt es zahlreiche Ideen, das Monitoring-System zu erweitern: Während die Datenverarbeitung zurzeit noch lokal am Bett erfolgt, soll künftig eine Serverlösung bessere Analysen möglich machen. Im Rahmen eines Projekts, das mit Unterstützung der Förderagentur FFG erfolgt, soll eine neuartige Blutdrucksensorik entwickelt werden. Auch Herzklappentöne, getrunkene Wassermengen oder Nässe im Bett könnten künftig automatisch erkannt werden.

Cubile Health ging ursprünglich aus der Doktorarbeit von Hilbe hervor, in der er sich über Sturzprophylaxe Gedanken machte. "2013 waren wir schon so weit, dass wir die Herzfrequenz herausfiltern konnten", erinnert sich Hilbe. 2016 wurde das Unternehmen gegründet, mit der Martin Global AG kam ein erster Investor an Bord. In einer aktuellen Finanzierungsrunde stieß Segnalita Ventures als Geldgeber für das nun acht Mitarbeiter zählende Start-up hinzu. Auch von der Standortagentur Tirol kam im Auftrag des Landes Unterstützung. Eine der Herausforderungen sei die Zulassung als Medizinprodukt gewesen, betont Hilbe. "Die hohen Anforderungen benötigen viele Ressourcen. Als Start-up im medizinischen Bereich ist das nur schwer zu stemmen." (Alois Pumhösel, 9.6.2018)