Winzige Plattwürmer (hier ein Macrostomum hystrix) haben es in sich: Sie können sich unter Wasser an beliebige Oberflächen heften.

Foto: Steven Ramm

Wer schon einmal Kindern beim Basteln geholfen hat, weiß, wie hartnäckig sich diverse Kleber nicht nur an den gewünschten Stellen festsaugen, sondern auch an Haut, Haaren oder Kleidung. Leider produziert noch keine Fabrik der Welt den optimalen Kleber: nämlich einen, der dort haftet, wo wir es wollen, und im Bedarfsfall auch wieder auslässt. In der Natur hingegen gibt es verschiedenste Organismen, die genau solche Stoffe erzeugen. Innsbrucker Forscher arbeiten daran, sie für den Menschen nutzbar zu machen.

Vor allem Meerestiere sind oft darauf angewiesen, sich an ihren Untergrund zu heften, um nicht während der Flut oder bei starkem Wellengang aus ihrem Lebensraum gerissen zu werden. Verschiedene Muscheln verankern sich mit sogenannten Byssusfäden am Substrat, während Stachelhäuter wie der Gemeine Seestern die Wirkung ihrer Haftfüßchen durch Klebstoff verstärken, und Seepocken sind – vor allem bei Schiffseignern – von jeher berüchtigt für ihre Haftfähigkeit.

Die Kleber dieser Tiergruppen wurden teilweise bereits intensiv untersucht. Kaum bearbeitet wurde bisher hingegen eine ebenfalls vielversprechende Abteilung, nämlich die Plattwürmer. Peter Ladurner vom Institut für Zoologie der Uni Innsbruck und seine Mitarbeiter befassen sich seit Jahren mit verschiedenen Aspekten des winzigen Plattwurms Macrostomum lignano, einer Art, die sie in Lignano entdeckt und 2005 erstmals beschrieben haben.

Zwei-Drüsen-Klebesystem

Er besitzt an der Schwanzspitze ein Zwei-Drüsen-Klebesystem, mit dem er sich an jeder beliebigen Oberfläche im Wasser festhalten und wieder loslassen kann. Dieses System setzt sich aus mehreren Hundert Klebeorganen zusammen, die ihrerseits wieder aus je drei Zellen bestehen: einer Klebedrüse, die den Klebstoff produziert, einer Loslassdrüse, die das Lösemittel absondert, und einer Stütz- oder Ankerzelle.

Dieser Aufbau scheint bei allen Plattwurmarten weitgehend gleich zu sein, nicht aber der darin enthaltene Klebstoff. Die Basis all dieser Klebstoffe sind Mischungen verschiedener Proteine, wobei hier jede Art ihr eigenes Süppchen kocht: "Wir haben zwei für das Kleben zuständige Gene bei Macrostomum lignano identifiziert, aber im Erbgut von 61 anderen Plattwurmarten, die ebenfalls Kleber erzeugen, keine verwandten Sequenzen gefunden", betont Ladurner. "Das bedeutet, dass die Fähigkeit, sich anzuheften, in der Entwicklungsgeschichte selbst bei verwandten Gruppen unabhängig voneinander entstanden sein muss."

In einem aktuellen FWF-Projekt wollen Ladurner und seine Gruppe die Klebstoffe von insgesamt 20 verschiedenen Plattwurmarten untersuchen. Die Liste der Kandidaten umfasst Meeres-, Brackwasser- und Süßwasserwürmer aus unterschiedlichen Lebensräumen: Da gibt es Arten, die in ruhigen Arealen leben, andere besiedeln die Brandungszone oder Strände mit starkem Wellengang, wieder andere leben auf Pflanzen, unter Steinen oder sogar auf Krebsen. Zu guter Letzt ist auch ein Parasit dabei: Entobdella soleae klebt sich lebenslang an Schollen fest und knabbert an deren Haut.

Allerdings haben alle diese Arten eines gemein: Sie sind winzig. Macrostomum lignano misst circa einen Millimeter, und auch die anderen Würmer auf Ladurners Liste sind nicht viel größer. Das stellt die Forscher vor spezifische Probleme: "Es ist unmöglich, aus so kleinen Organismen einfach den Kleber zu gewinnen und ihn dann zu untersuchen", erklärt Ladurner. Deshalb bediente sich seine Arbeitsgruppe diverser molekularbiologischer Umwege.

Genetisches Werkzeug

Zuerst erfolgte eine genaue Bestimmung aller Gene des Tieres und aller Proteine, die diese Gene produzieren. Bei M. lignano sind das ungefähr 30.000 Gene und rund 100.000 Proteine. Um herauszufinden, welche davon am Kleben beteiligt sind, konzentrierte sich Ladurners Gruppe auf die Schwanzregion der Tiere, wo die Klebeorgane sitzen. De facto wurde die Schwanzplatte abgeschnitten und das so reduzierte Tier noch einmal sequenziert.

Zieht man das Resultat von der Sequenzierung des ganzen Wurms ab, bleiben die Gene übrig, die nur im Schwanzbereich aktiv sind: bei M. lignano immer noch mehr als 300.

"Als Nächstes wollten wir wissen, in welchen Zellen diese Gene eingeschaltet sind", führt Ladurner weiter aus. Dazu wurden vorgefertigte DNA-Abschnitte in die Zellen eingeschleust, die zu den gesuchten Genen komplementär sind und sich an diese binden. Nachdem alle 366 Gene auf diese Weise untersucht wurden, blieben schließlich zwei Gene übrig, die die Klebe-Proteine bei M. lignano codieren. Diese "Toolbox", die Ladurners Arbeitsgruppe in den letzten Jahren für M. lignano entwickelt hat, soll nun auf alle ausgewählten 20 Arten angewendet werden.

Doch selbst wenn die Klebe-Proteine einmal gefunden sind, bedeutet das noch nicht das Ende der Untersuchungen: "Diese Proteine sind riesig groß – wir müssen erst den Teil finden, der für das Kleben verantwortlich ist", sagt Ladurner. Ziel des Projekts, das auch von der EU-Cost(Cooperation in Science and Technology)-Action-Plattform zur Erforschung der Bioadhäsion unterstützt wird, ist ein ungiftiger, umweltfreundlicher Kleber, der auch unter feuchten Bedingungen funktioniert. Vor allem in der Medizin wären solche Stoffe ein Segen – aber auch so manche Bastelei könnten dadurch wohl einfacher werden. (Susanne Strnadl, 1.6.2018)