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Arkadi Babtschenko mit Geheimdienstchef Vasily Gritsak und Ermittler Yuriy Lutsenko bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

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Die Festnahme des mutmaßlichen Täters (Standbild aus einem SBU-Video)

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Kiew – "Noch bin ich am Leben", sagte Arkadi Babtschenko auf einer Pressekonferenz am Mittwoch und widersprach damit diversen Todesmeldungen, auch auf dieser Webseite, die seit der vergangenen Nacht die Runde gemacht hatten. Der Journalist war angeblich von einem Unbekannten bei der Rückkehr in seine Wohnung erschossen worden – der ukrainische Geheimdienst SBU erklärte Mittwochabend allerdings, dass der Anschlag vereitelt werden konnte. Nach Angaben des SBU-Chefs Wassili Grizak wurde der Organisator der Aktion in Kiew verhaftet. Der Verdächtige werde verhört, seine Wohnung durchsucht, teilte Grizak mit. Laut dem SBU-Chef stecken russische Geheimdienste hinter dem versuchten Attentat.

Babtschenko entschuldigte sich bei Freunden und Verwandten für die falsche Todesmeldung. Selbst seine Familie sei nicht in die Details der Operation eingeweiht gewesen, sagte er. Der Journalist, der zuletzt für den Krimtatarensender ATR tätig war, betonte, dass er tatsächlich von Mordvorbereitungen gegen ihn erfahren und zusammen mit dem SBU Gegenmaßnahmen ergriffen habe. "Einen Monat lang haben wir die Sonderoperation vorbereitet, die Männer haben wie Büffel geackert", sagte er. Teil dieser Maßnahmen sei dann auch die Legende über den Erfolg des Todesschützen gewesen.

Termin "hat sich ergeben"

Seinen Worten nach hätte der Anschlag eigentlich früher stattfinden sollen. "Von der Seite wurde Druck ausgeübt, für die Erfüllung des Auftrags wurden drei Wochen gegeben. Das Ganze sollte eigentlich nicht gestern sein, es hat sich nur so ergeben", sagte der 41-Jährige. Auf seine Liquidierung "können sie lange warten", erklärte Babtschenko zum Abschluss der Pressekonferenz in Kiew.

Der in Moskau geborene Babtschenko hatte 2017 Russland den Rücken gekehrt und war über Prag in die Ukraine gezogen. Seine Flucht begründete er mit massiven Drohungen gegen sich und seine Familie. In seiner Heimat gilt der Kriegsreporter speziell in nationalistischen Kreisen als "Vaterlandsverräter", weil er die Politik des Kreml scharf kritisierte und im Konflikt um die ostukrainische Donbass-Region eindeutig für das ukrainische Militär Stellung bezogen hatte.

Diskussionen zwischen Russland und der Ukraine

Der "Mord" an Babtschenko hat bereits zu hitzigen Diskussionen zwischen Russland und der Ukraine geführt. Während führende ukrainische Politiker wie Premierminister Wolodymyr Hrojsman Moskau der Tat bezichtigten, warf das russische Außenministerium der Ukraine vor, dass "blutige Verbrechen und totale Straflosigkeit zur Routine für das Kiewer Regime" geworden seien.

Moskau bezog sich damit auf frühere Morde an Journalisten in Kiew. So war 2016 der ebenfalls kremlkritische Journalist Pawel Scheremet durch eine Autobombe getötet worden, während ein Jahr zuvor der prorussische Publizist Oles Busina erschossen wurde. In beiden Fällen wurden die Täter bis heute nicht verurteilt.

Zumindest im Fall Babtschenko ist den ukrainischen Sicherheitsbehörden, wenn die Meldungen sich bewahrheiten sollten, aber nun ein Coup gelungen. Die russisch-ukrainischen Streitigkeiten dürften damit allerdings noch lange nicht vorbei sein.

Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa nannte zwar die "Wiederauferstehung" Babtschenkos die "beste Nachricht", verwies aber zugleich darauf, dass der ganzen Aktion "ein propagandistischer Effekt" beiwohne. Die Version der ukrainischen Ermittler, dass die Tat von Russland in Auftrag gegeben wurde, wird in Moskau vehement bestritten.

Jounalisten protestieren

Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, kritisierte die Inszenierung der ukrainischen Behörden: "Dieser fahrlässige Umgang mit der Wahrheit ist unverzeihlich und ein geschmackloses Spiel mit der Glaubwürdigkeit der Medien", erklärte sie.

"Es ist gefährlich, in einer Welt zu leben, wo die Behörden, wo die Politik die Bürger und die Öffentlichkeit dreist belügen", sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands DJV, Frank Überall, der Deutschen Presse-Agentur. "In dem Moment, wo wir unseren Regierungsvertretern nicht mehr trauen können, wird es für eine Demokratie sehr gefährlich."

Auch Litauens Außenminister Linas Linkevicius zeigte sich irritiert: "Ich verstehe solche 'Spezialoperationen' nicht. Diese Dinge sind für mich unverständlich", sagte Linkevicius am Mittwoch der Agentur BNS zufolge, "die einzige gute Nachricht in dieser Geschichte ist natürlich, dass er lebt.". (red, André Ballin, 30.5.2018)