Ich bin seit kurzem amerikanische Staatsbürgerin und es ist dies ein wichtiger Meilenstein in meiner Lebensreise, die mich vor fast achtzehn Jahren von Österreich nach New York geführt hat, zunächst für ein nur dreimonatiges Internship bei den Vereinten Nationen. Viele Dinge sind mir hier sehr vertraut geworden, meine österreichischen Wurzeln und einen engen Bezug zu Österreich habe ich allerdings nie verloren. 

Foto: Stella Schuhmacher

Bewerbungsprozess

Der Staatsbürgerschaftsprozess beginnt mit dem Ausfüllen eines detaillierten Antragsformulars, beinhaltet ein persönliches Interview und Wissenstest und endet mit einer festlichen Eidzeremonie. Nach mehr als fünf Jahren mit Green Card war der Prozess relativ unkompliziert für mich.

In den Bewerbungsunterlagen stechen vor allem folgende, aus österreichischer Sicht interessante Fragen, hervor: Haben Sie zwischen 1933 und 1945 auf irgendeine Weise mit der Nazi-Regierung in Deutschland zusammengearbeitet oder mit einer anderen Regierung, die mit den Nazis zusammenarbeitete? Haben Sie in diesem Zeitraum für eine militärische Einheit der Nazis oder in einem Konzentrationslager gearbeitet? Andere Fragen beziehen sich zum Beispiel auf Drogenhandel, Mitwirkung bei der Rekrutierung von Kindersoldaten, Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei, oder Polygamie.

Im Bewerbungsinterview legt man einen Wissenstest zur amerikanischen Verfassung und Geschichte und einen einfachen Englischtest ab. Zur Vorbereitung auf den "civics test" erhält man ein Heft mit den zu erwartenden Fragen und Antworten und nicht alle Fragen sind völlig ohne Vorbereitung richtig zu beantworten. Die Beamten, mit denen man in diesem Prozess zu tun hat, sind höflich und respektvoll. Die Eidzeremonie, während der man das "Certificate of Naturalization" erhält, ist dann der feierliche Abschluss des Prozesses.

In diesem Gebäude findet die Zeremonie statt.
Foto: Stella Schuhmacher

Erinnerungen an 9/11

Am Weg zum Gerichtshof im Süden Manhattans, in dem diese Angelobungszeremonie zum Abschluss meines Staatsbürgerschaftsprozesses stattfindet, denke ich über die vergangenen achtzehn Jahre nach und spaziere zum nahegelegenen Ground Zero. Ich habe den 11. September 2001 in New York miterlebt und dieser Tag wird mir für immer im Gedächtnis bleiben. Ich habe damals die Türme vom Dach meines Wohnhauses aus zusammenstürzen sehen. Viel ist seither passiert und die zwei Brunnen, die den Grundriss der eingestürzten Twin Towers nun verewigen, sind beeindruckend und friedlich. New York ist nach 9/11 wieder aufgestanden, hat die Trümmer beseitigt, die Brände gelöscht, und in vollem Tempo und mit ungebrochener Energie weitergemacht.

Ich stehe nun vor der "Sphere"-Skulptur, die im Brunnen zwischen den Twin Towers platziert gewesen war und die Katastrophe fast unbeschadet überstanden hat. Für mich ist sie ein Symbol für Widerstandsfähigkeit und Hoffnung und es ist schön, an diesem Ort über die seither vergangenen Jahre zu reflektieren.

Die Sphere-Statue
Foto: Stella Schuhmacher
Brunnen, die den Grundriss der Twin Towers darstellen.
Foto: Stella Schuhmacher
One World Trade Center und Path-Station
Foto: Stella Schuhmacher

Die Eidzeremonie

Die Warteschlangen beim Einlass zur Zeremonie sind lang und Menschen aus der ganzen Welt haben sich versammelt. Heute werden hier 159 Personen aus 49 Ländern zu amerikanischen Staatsbürgern. Europäische Gesichter sind kaum zu sehen, dafür werden die interessantesten und exotisch klingenden Namen bei der Verleihung des "Certificate of Naturalization" verlesen.

Die Menschen sind sehr festlich gekleidet. Manche sind in Begleitung ihrer Familienangehörigen, haben sich ein Tuch mit der amerikanischen Fahne umgebunden oder schwenken eine Flagge. Ich sehe mich um und frage mich, wie viele wohl aus Kriegsgebieten stammen, wie viele bitterer Armut entkommen oder vor Verfolgung und Gewalt in ihren Heimatländern geflohen sind. Für viele geht hier ein Lebenstraum in Erfüllung, der amerikanische Traum.

Ein Neo-US-Amerikaner mit einer Kopie des Treueschwurs.
Foto: Reuters/Brian Snyder

Oath of Allegiance

Eine feierliche Stimmung herrscht im Gerichtssaal. Nachdem alle den Oath of Allegiance nachgesprochen haben, hält ein Richter eine kurze Rede, in der er die Anwesenden über Rechte und Pflichten amerikanischer Staatsbürger informiert und die Wichtigkeit der amerikanischen Verfassung hervorhebt. Vor allem das Konzept "liberty and justice for all" – Freiheit und Gerechtigkeit für jeden – betont er mehrmals. Seine Rede finde ich inspirierend und gehaltvoll; eine wohltuende Erfahrung, wenn man bedenkt, wie tief der politische Diskurs hier gesunken ist.

Nach dem Erhalt des Certificate of Naturalization dürfen die frischgebackenen US-Amerikaner den Gerichtshof verlassen. Ich mache ein Foto auf den Stufen des Gerichts und bekomme einen Blumenstrauß aus roten und weißen Blumen mit einer blauen Schleife geschenkt. Gefühlsmäßig bin ich nach wie vor Österreicherin, daran wird sich nie etwas ändern. Ich freue mich aber darauf, bei den nächsten Wahlen hier zur Wahlurne gehen und meine Stimme abgeben zu können! (Stella Schuhmacher, 4.6.2018)