Frankreichs Präsident Macron meint, "wirtschaftlicher Nationalismus" bestrafe alle, auch die USA. Er kündigte an, dass die EU "entschlossen und angemessen" reagieren werde.

Foto: AFP/POOL/PHILIPPE WOJAZER
Foto: APA
Foto: APA
Foto: APA

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Washington/Brüssel/Genf – Die EU hat im Streit um die US-Stahlzölle wie angekündigt ein Klagsverfahren bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingeleitet. Der Antrag auf Konsultationen im Rahmen eines Streitschlichtungsverfahrens sei eingegangen, bestätigte ein WTO-Beamter am Freitag.

Damit beginnt eine 60-tägige Frist, in der sich beide Seiten nach den WTO-Regeln um eine gütlichen Einigung ihrer Meinungsverschiedenheiten bemühen müssen. Gelingt das nicht, kann die EU die Einsetzung eines Streitschlichtungspanels beantragen. Die USA könnten das hinauszögern, aber nicht verhindern. Die Handelsexperten des Panels könnten ihre Arbeit im September aufnehmen.

Ein Großteil der von der EU geplanten Vergeltungszölle ist davon allerdings nicht betroffen. Die EU steht auf dem Standpunkt, dass die US-Zölle auf Stahl und Aluminium nach WTO-Recht illegal sind, und will die Vergeltungsmaßnahmen deshalb noch im Juni einleiten. Wenn die USA das für rechtswidrig halten, müssten sie ihrerseits bei der WTO ein Klagsverfahren einleiten.

Beschwerde gegen China

Auch gegen China geht die EU bei der WTO vor. Das nun eingeleitete Verfahren wende sich gegen chinesische Gesetze, die europäische Firmen dazu verpflichteten, ihr geistiges Eigentum preiszugeben, sagte Handelskommissarin Cecilia Malmström am Freitag. Das sei nach den WTO-Regeln unzulässig und gefährde die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.

Europäische Unternehmen, die in China tätig sein wollen, werden laut EU-Kommission gezwungen. "einheimischen chinesischen Unternehmen Eigentums- oder Nutzungsrechte an ihrer Technologie einzuräumen". Sie würden damit "der Möglichkeit beraubt, in Vereinbarungen über Technologietransfer frei über marktbasierte Bedingungen zu verhandeln". Das verstößt aus EU-Sicht gegen die WTO-Regeln zu geistigem Eigentum.

Michael Löwy von der Industriellenvereinigung spricht über die US-Strafzölle, die Auswirkungen auf Österreich und die Reaktion der EU.
ORF

Internationale Aufregung

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der sich bisher um gute Beziehungen zu den USA bemüht hatte, sparte bei einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump nicht mit scharfer Kritik. Die Verhängung der US-Strafzölle bezeichnete er als "illegal" und "einen Fehler". "Wirtschaftlicher Nationalismus" bestrafe alle, auch die USA. Macron kündigte an, dass die EU "entschlossen und angemessen" reagieren werde.

Schramböck empört

Auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) reagierte empört: "Mit den USA verbinden uns seit vielen Jahren enge Wirtschaftsbeziehungen – dass US-Präsident Trump diese mit der Verhängung von Strafzöllen aufs Spiel setzt, ist unverantwortlich", sagte sie am Donnerstag. Die EU müsse nun "geschlossen vorgehen und angemessene Gegenmaßnahmen setzen".

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach sich via Twitter gegen die Strafzölle aus:

Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) rechnet zunächst mit negativen Folgen für die USA selbst. Durch die Strafzölle werde "viel volkswirtschaftlicher Schaden angerichtet", die "schädlichen Auswirkungen" würden "in den USA früher und deutlicher spürbar" als in Europa, sagte Altmaier am Donnerstagabend in den ARD-"Tagesthemen".

Altmaier hatte zuvor bereits darauf hingewiesen, dass es "schon einmal gelungen" sei, "eine US-Zollmaßnahme wieder außer Kraft zu setzen – durch gemeinsames und geschlossenes Auftreten der Europäer". Beim letzten Stahlstreit mit den USA ab 2002 hatte die EU vor der WTO Recht bekommen, der damalige US-Präsident George W. Bush hob die Zölle daraufhin auf.

Kritik aus eigenen Reihen

Trumps Entscheidung stößt auch in den eigenen Reihen auf Kritik: Der Sprecher des Repräsentantenhauses und einflussreichste Republikaner im Kongress, Paul Ryan, erklärte am Donnerstag, er stimme mit der Entscheidung nicht überein: "Die heutige Aktion trifft Amerikas Verbündete, wenn wir mit ihnen zusammenarbeiten sollten, um die unfairen Handelspraktiken von Ländern wie China anzusprechen."

Er kündigte an, sich mit Trump für "bessere Optionen" einsetzen zu wollen, um US-Arbeitern und -Konsumenten zu helfen. Mehrere republikanische Abgeordnete sprachen sich dafür aus, wichtige Partner weiterhin von den Strafzöllen auszunehmen. "Diese Zölle treffen das falsche Ziel", sagte der Kongressabgeordnete Kevin Brady. "Wenn es um unfair gehandelten Stahl und Aluminium geht, sind nicht Mexiko, Kanada und Europa das Problem. Es ist China." Die Importe "dieser wichtigen Partner für die nationale Sicherheit" sollten weiterhin ausgenommen werden.

Der Präsident der US-Handelskammer, Tom Donohue, sieht den wirtschaftlichen Fortschritt durch die gegenwärtige Handelspolitik gefährdet. Mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze könnten verloren gehen. Die meisten davon lägen in Bundesstaaten, in denen die Bürger Trump und die Republikaner gewählt hätten.

Mexiko und Kanada reagieren

Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland kündigte unterdessen an, dass die kanadischen Gegenzölle die Höhe der US-Strafzölle erreichen werden. Sie bezifferte die Summe mit 16,6 Milliarden Dollar (14 Milliarden Euro). Die kanadische Liste umfasst Stahl und Aluminium aus den USA sowie Joghurt, Kaffee, Zucker, Klopapier, Segelboote, Matratzen, Waschmaschinen und Rasenmäher. Diese Produkte werden in US-Bundesstaaten hergestellt, deren Unternehmen besonders viel über die Grenze nach Norden exportieren. Die Gegenzölle treten am 1. Juli in Kraft.

Zugleich will Kanada sich wie die EU an die Welthandelsorganisation wenden, und auch im Rahmen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) werde sich Kanada über die "illegalen und kontraproduktiven" US-Strafzölle beschweren, sagte Freeland.

Die mexikanische Regierung hatte längst eine Liste mit US-Produkten fertig, auf die künftig Gegenzölle aufgeschlagen werden sollen – sie reicht von Stahl und Aluminium über Lampen bis hin zu Äpfeln. Der Wert soll ebenfalls den der US-Strafzölle erreichen. Mexiko ist der größte Abnehmer von Aluminium aus den USA und der zweitgrößte von Stahl. Insgesamt gehen 80 Prozent aller mexikanischen Ausfuhren in die USA.

China senkt Einfuhrzölle

Währenddessen demonstriert China weiter Verhandlungsbereitschaft im Handelsstreit mit den USA. Das Außenministerium erklärte, die Tür für Gespräche stehe offen. Inmitten des Handelsstreits senkt China seine Importzölle auf fast 1.500 Konsumgüter – von Kosmetik bis zu Haushaltsgeräten. Der durchschnittliche Zollsatz falle von 15,7 auf 6,9 Prozent, kündigte Chinas Finanzministerium am Freitag an. Das entspreche einer Senkung um 60 Prozent. Die neue Regelung trete am 1. Juli in Kraft.

Damit geht China auf seine Handelspartner zu, vor allem auf die USA. Diese drängen darauf, dass der Exportweltmeister seinen enormen Handelsüberschuss abbaut – etwa durch mehr Importe. China stellt zudem eine stärkere Öffnung seiner Wirtschaft in Aussicht. Bereits im Dezember hatte es die Zölle auf knapp 200 Produkte auf 7,7 von 17,3 Prozent gesenkt, etwa für Lebensmittel, Pharmaartikel und Bekleidung. (red, APA, 1.6.2018)