Karin Pollack beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Überlegungen zu gesunder Ernährung kommen da ganz automatisch.

Foto: cremer/rawicka/istock

Die Welt durch Gemüse sehen: wie es ist, hauptsächlich vegetarisch zu kochen.

Foto: istockphoto

Freiheit ist, wenn man sich entscheiden kann, habe ich unlängst auf auf einem Damenklo gelesen. Für den Ort ein recht großer Satz, dachte ich. Und im Grunde eigentlich nicht immer die beste Lösung, ist mir mir dann aufgefallen.

Konkret, wenn es ums Essen geht. Denn das, was wir essen, ist nur vermeintlich freiwillig. Wir sind von den Jahreszeiten in der Natur abhängig, von den Lebensmittelproduzenten und von den eigenen Lebensbedingungen. Im Grunde genommen will ich mich hauptsächlich von saisonalem Gemüse ernähren, kein Fastfood essen und eher weniger als mehr Zeit zum Kochen verwenden.

Und weil ich dieses drei Entscheidungskriterien nicht bei jedem Einkauf ins Kalkül ziehen kann, habe ich mir eine Regel auferlegt: Während der Woche ernähre ich mich ausschließlich von Gemüse, Fleisch gibt es am Wochenende, dann aber richtig tolles.

Umdenken müssen

Nach diesem Regime lebe ich (und meine Familie) nun schon drei Wochen. So viel vorneweg: Es ist wirklich nicht einfach. Denn erstens: Das Gemüse vom Beilagendasein zu befreien und zur Hauptspeise zu machen erfordert einen Umbau der eigenen Erwartungshaltungen. Zweitens: Gemüse zu kochen erfordert viel mehr Zeit, als etwa ein Stück Fleisch anzubraten. Ich wasche, schäle und schnipple also wesentlich länger als früher, und auch wesentlich mehr – wer von Gemüse satt werden will, muss größere Portionen essen, sonst ist er nach einer Stunde wieder hungrig.

Apropos sattwerden: Beim vegetarischen "Unter-der-Woche-Kochen" habe ich Bohnen und Linsen entdeckt. In einem Artikel im "New Yorker" zu Bohnen durfte ich erfahren, welche Qualitätsunterschiede es hier gibt. Das war Neuland. Seitdem bin ich auf der Jagd nach guten und frischen Bohnensorten, um die geschmacklichen Unterschiede nacherleben zu können. Idealerweise koche ich sie selbst, in Zeitnot (ein häufiges Problem in meinem Leben) nutze ich meinen Druckkochtopf oder greife auf Dosen zurück.

Und ich wälze Kochbücher auf der Suche nach neuen Gemüserezepten, die ich ausprobieren kann. Meine Favoriten einstweilen sind jede Form von Linsen- und Bohnensalaten, verschiedene Risottos, indische und thailändische Gerichte, weil man dort kulturell sowieso kaum Fleisch kocht und daher mit den pflanzlichen Eiweißquellen bestens vertraut ist. Indische Poriyals zum Beispiel gehören zu meinen Favoriten. Und jegliche Form von Gemüseburger – obwohl sie die meiste Arbeit machen.

Fühlt sich gut an

Bisher ging eigentlich nur ein einziges Rezept total daneben. In einem neuen dänischen Kochbuch wurde eine Ceviche aus Pilzen statt mit rohem Fisch vorgeschlagen. Eiweiß sei schließlich Eiweiß, schreibt der Koch. Meine ganze Familie schlief eine Nacht lang mit diesen Pilzen im Magen sehr schlecht.

Das Gemüseessen hat aber sonst einen sehr positiven Ganzkörpereffekt. Das merken wir alle beim Sport. Zum einen ist da eine ungewohnte Leichtigkeit, Ausdauerübungen zum Beispiel sind keine große Sache mehr. Zum anderen erscheinen mir meine Sehnen wesentlich dehnbarer zu sein – beim Yoga schaffe ich jetzt endlich fast den Spagat. Und die Verdauung tut sich mit Gemüse auch irgendwie leichter, jedenfalls fehlt dieses Schweregefühl im Magen.

Es könnte sein, dass mir das aufwendige Kochen bald schon leichter von der Hand geht– da glaube ich an die Kraft der Routine. Je öfter man eine Speise kocht, umso einfacher wird es. Andererseits: Bei der Zubereitung von Gemüsegerichten verschwindet der Stress des Tages wie von selbst. Schnippeln ist kontemplativ, das ist meine Erfahrung.

Ich mache also weiter. Zu keiner Zeit im Jahr ist die saisonale Auswahl an Gemüse so groß wie jetzt. Es fühlt sich zu gut an, und das Fleisch am Wochenende schmeckt tausendmal besser als früher. Entscheidung sei Dank. (Karin Pollack, 3.6.2018)