Der Krisenkolumnist ist ein großer Freund von Tätowierungen, vor allem von gut durchdachten und nicht einfach achtlos auf die Haut gesudelten. Bei einer Bergwanderung kam ich kürzlich mit einer jungen Dame mit einer absoluten Top-Tattoo-Kombi ins Gespräch. Auf die Rückseite des linken Oberarms hatte sie sich in holzschnittartigem Stil eine Kaffeetasse stechen lassen, auf den rechten aber ein Milchkännchen.

Diese Paarung lässt sofort das Flair eines gepflegten Kaffeehauses aufkommen. Zudem ist sie so harmonisch, als hätte man links und rechts einen Stock und einen Stein bzw. eine Faust und ein Auge eintätowiert. Auf jeden Fall ist das Kombi-Tattoo ein großer Fortschritt zu dem in den 1990ern hochbeliebten Arschgeweih, welches damals als der heißeste Scheiß galt, heute aber allenfalls den Status eines erkalteten Bemmerls genießt.

Ich habe mich noch nicht tätowieren lassen, weil ich die Sucht fürchte. Man kennt jene Geschichten, die davon erzählen, dass es nach dem ersten Peckerl kein Halten mehr gibt. Es beginnt mit dem Gänseblümchen auf der Hinterbacke, dann folgen der Nelkenstrauß auf der Schamleiste und die Gürtelrose in Brusthöhe und zuletzt das flächengreifende Assortiment von Zimmerpalmen auf der Vorder- und Rückseite des Körpers.

Das Problem ist stets, dass der Platz schließlich knapp wird. Schon der Kuhhaut wird ein sprichwörtlich limitiertes Fassungsvermögen zugeschrieben – um wie viel mehr ist das also beim Menschen der Fall. Eine Zeitlang kann man sich mit palimpsestartigen Überschreibungen behelfen, aber solange wir uns – ein Wunschtraum jedes Tätowierers – nicht häuten wie die Schlange, ist irgendwann einmal Ende der Fahnenstange.

Wahre Abhilfe brächte nur eine Ausweitung der Tätowierzone ins Körperinnere. Technisch wäre das kein Problem. Mithilfe der Schlüssellochchirurgie könnte man sich flott einen Anker auf die Lunge, einen Totenkopf auf die Harnblase, ein Herz aufs Herz oder den Schriftzug "Blaue Sau" auf die Leber tätowieren lassen.

Vom schmückenden Effekt abgesehen wäre eine korrekte Beschriftung der inneren Organe per Tätowierung auch medizinisch sinnvoll. Sie würde nämlich die Gefahr verringern, dass junge, unerfahrene Chirurgen bei einem Eingriff versehentlich am Zwerchfell anstatt am Gaumensegel operieren. (Christoph Winder, 1.6.2018)