Die eigene Person zu historisieren, daran ist Rosemarie Schwarzwälder nicht interessiert. Gearbeitet wird hier und jetzt. Die Geschichte der Galerie nächst St. Stephan könne man ohnehin nachlesen. Was die Eckdaten betrifft, hat die 72-jährige Galeristin recht: Vor 40 Jahren hat die gebürtige Schweizerin von Oswald Oberhuber die legendäre, 1954 vom Mäzen und Sammler, Monsignore Otto Mauer, begründete Galerie übernommen.

Die 1945 in Basel geborene Rosemarie Schwarzwälder war vor ihrer Galeriekarriere Journalistin, arbeitete für Kunstmagazine und den ORF.
Foto: Julian Mullan

Mitte der 1980er, als die gestische Malerei der Neuen Wilden dominierte, richtete sie die Galerie allerdings völlig neu aus, zeigte Gerwald Rockenschaub oder Heimo Zobernig gemeinsam mit internationalen Positionen der Abstraktion sowie konzeptuelle Kunst – und eben nicht nur klassische Medien, sondern auch Installationen, Fotografie- und Videokunst.

Die internationale Ausrichtung war ein Wagnis. Denn die wichtigen Kunden in Wien – einer Stadt mit wenigen privaten Sammlern – waren die Banken. "Allerdings haben sie nur österreichische Kunst gesammelt", erinnert sich Rosemarie Schwarzwälder. Schon 1978, im ersten von ihr verantworteten Jahr, hat sie den US-Amerikaner Vito Acconci und den französischen Fluxus-Künstler Robert Filiou gezeigt. Joseph Beuys folgte 1979.

"Die Anfangsjahre waren hart, man hat höchstens mal 100 Euro an öffentlicher Unterstützung erhalten." Mediale Aufmerksamkeit erkämpfte sich die ehemalige Journalistin Mitte der 1980er mit einem erbosten Brief an die Redaktionen. Habe und Ehre hieß damals eine Imi Knoebel gewidmete Ausstellung: "Stehende, hängende, sich überlagernde Hartfaserteile und ein Buffet – sorgsam in den Räumen verteilt – erzeugten eine formale Radikalität, die es bis dato so in Wien und in dieser Galerie nicht gegeben hatte. Es kamen kaum Besucher."

Einblicke in "Just so Stories 1978 / 2018" mit Arbeiten u. a. von Jessica Stockholder, Dan Flavin, Brigitte Kowanz / Franz Graf.
Foto: Markus Worgötter

Zu der ihrem Jubiläum gewidmeten Schau Just so Stories 1978 / 2018 steuert Schwarzwälder persönliche Hintergrundgeschichten bei: manchmal zum Künstler, manchmal zur Entstehungsgeschichte, zum ersten Kennenlernen oder auch – wie es sich für eine Galeristin gehört – zu Versäumnissen und späten Karrieren. Erst heuer wird Ernst Caramelle, der Schwarzwälders Galerietätigkeit von Anfang an begleitet hat, im Museum moderner Kunst eine große Personale ausgerichtet.

Im Begleittext zu seinen Multiples liest man die spitze Bemerkung: "In all den Jahren zuvor war gerne Häuschenbauen auf Museumsdächern angesagt; der Mainstream ist eben gefragt, aber öd." "Einmal kann man so etwas ja machen", sagt Rosemarie Schwarzwälder und lacht.

Die Galeristin erzählt aber auch von "Erschöpfungszuständen" als Folge intensiver Galeriearbeit. Mit Polly Apfelbaum hat das nur insofern zu tun, als die Auszeit der Galeristin vor einigen Jahren in Rom just mit dem Atelierstipendium der Künstlerin zusammenfiel. Nun sind Apfelbaums sinnliche Stoffarbeiten neben einer einfachen Skizze von Donald Judd zu sehen. Judd, den großen Minimalisten, hatte die Galerie in einem Wiener Hotel untergebracht, wo ihm in der Lobby die Struktur eines Gitters half, ein bildhauerisches Problem zu lösen.

Stephan Miaos "Ying APP-nosis".
Foto: Markus Wörgötter

Aber auch mit Unerfreulicherem hält Schwarzwälder nicht hinter dem Berg: 1986 musste sie etwa Helmut Federle, ihrem Lebensgefährten, beibringen, dass jemand aus der Galerie zwei Blätter seiner Arbeit Black Series I gestohlen hat. "Es muss ein Liebhaber gewesen sein", ist Rosemarie Schwarzwälder heute überzeugt.

In ihrem persönlichen, auf Chronologien pfeifenden Rückblick zum Jubiläum bleibt Schwarzwälders Vorliebe für Reduziertes und Konzeptuelles aber nicht verborgen: Sie reicht von Imi Knoebel über Reiner Ruthenbeck oder Adrian Schiess bis hin zu jüngeren Positionen wie Christoph Weber und Sonia Leimer. Letztere ist mit einem ihrer Asphaltstücke vertreten – ein Stück der Wiener Währinger Straße, mit Kaugummi- und Ölflecken, abgetreten, tausendfach begangen. Sie habe eine "sentimentale Beziehung" dazu, verrät die Galeristin in einer Notiz.

Wien, wo sie seit 1970 lebt, hat Schwarzwälder viel zu verdanken – oder ist es eher umgekehrt? Denn manche KünstlerInnen – etwa Joëlle Tuerlinckx, Alice Attie oder Lee Ufan – hat sie hier überhaupt erst vorgestellt. Nikolaus Oberhuber, einer ihrer Söhne mit Oswald Oberhuber, wollte ein Bild Ufans erwerben: "Nicht auf ihn zu hören, war strategisch unklug."

Dass Rosemarie Schwarzwälder – neben Galeristinnen wie Grita Insam, Ursula Krinzinger oder Heike Curtze – für die Entwicklung der zeitgenössischen Wiener Kunstszene von unschätzbarer Bedeutung war, ist unbestritten. Museen hat es in den Anfangsjahren noch nicht viele gegeben, und die Politik unterstützte vor allem die Phantastischen Realisten.

Vielleicht geht sie auch deswegen bis heute mit großformatiger Malerei sehr umsichtig um: "Katharina Grosse mit ihrem Gemälde gleich im ersten Raum zu zeigen – das wäre ja wie ein Klischee gewesen", sagt Schwarzwälder. Daher hängt es nun im Kabinett. (Christa Benzer, 7.6.2018)