In Velenje steht noch immer die größte Statue Marschall Titos.

Foto: Wölfl/Standard

"Das sind doch alles Diebe! Ich wähle diese Politiker nicht!", sagt der Bauarbeiter in dem roten T-Shirt, der gerade ein Gerüst vor der Statue abbaut. Er drückt etwas aus, was viele Menschen in Slowenien denken: Die Politik würde vorwiegend Menschen anziehen, die sich bereichern und ihre eigenen Interessen durchsetzen wollten. Der Mann in dem roten T-Shirt traut den Regierenden nicht, er blickt jedoch grüßend zu der Statue empor. Und Tito schaut selbstsicher zu ihm herab.

Der General in dem schweren steinernen Mantel wirkt dabei gelassen, so als würde seine Herrschaft noch immer andauern. Irgendwie ist Velenje noch immer Titos Stadt: Gelegen im Norden von Slowenien, Plattenbauten inmitten sonniger Parks, umgeben von bewaldeten Hügeln, zwischen denen schwarze Wolken hängen bleiben, leben hier Menschen aus dem ganzen ehemaligen Jugoslawien. Der 1. Mai und der Tag der Jugend werden hier noch gefeiert.

Und auch die Werte sind hier ähnlich geblieben: "Wir wollen die sozialen Standards anheben, wir wollen, dass es ein Sicherheitsnetz gibt, wenn wir die Jobs verlieren. Wir wollen gute Gesundheitsversorgung", sagt der 34-jährige Salko L. und schiebt seine blausilberne Sonnenbrille auf die Stirn. Seiner Frau Katrin ist es ein Anliegen, dass man nicht mehr stundenlang im Spital warten muss, so wie kürzlich, als der gemeinsame Sohn Benny einen Asthma-Anfall hatte.

Krankes Gesundheitssystem

Viele Slowenen müssen sich auch auf Wartelisten eintragen, um einen Operationstermin zu bekommen. Die Spitäler sind unterbesetzt. Die Reformvorschläge für das Gesundheitssystem sind für die Wahlen am Sonntag wichtig. Salko L. ist übrigens ein typischer Bürger von Velenje – gerade weil seine Familie aus Bosnien-Herzegowina kommt. An der Hausmauer in einer Unterführung steht: "Velenje mala Bosna" also "Velenje das kleine Bosnien". Bereits in den 1950er-Jahren kamen viele Bosnier, um hier im Bergbau zu arbeiten. Die Eltern von Salko L. zogen während des Bosnien-Kriegs (1992-1995), als er acht Jahre alt war, hierher.

"Wir sind die Hauptstadt der Handwerker", erklärt er. In Velenje werden junge Leute zu Bergarbeitern, zu IT-Fachkräften, Maschinenbauingenieuren oder Elektrikern ausgebildet. Bei den letzten Lokalwahlen 2014 bekamen die Sozialdemokraten hier 44 Prozent der Stimmen, der sozialdemokratische Bürgermeister Bojan Kontic wurde sogar von 68 Prozent gewählt. Dabei liegt Velenje inmitten einer Region, die nationalkonservativ denkt und abstimmt. Es ist eine ländlich geprägte Gesellschaft in hübschen Dörfern mit barocken Kirchen. Nur Velenje ist anders, eine Industriestadt, in der nicht nur der Haushaltsgerätehersteller Gorenje, sondern auch ein Bergwerk, eine Chemiefabrik und ein Kohlekraftwerk beheimatet sind.

Doch gerade weil sie eine industrielle Tradition haben, haben die Velenjer Angst vor den neuen Zeiten. Jetzt, wo das chinesische Unternehmen Hisense bei Gorenje investieren will, sorgen sie sich, dass Jobs abgebaut werden könnten. Insbesondere in der Verwaltung des Unternehmens – so wird gemunkelt – gäbe es zu viele Angestellte. Manche ahnen wohl auch, dass die Digitalisierung weitere Arbeitsplätze kosten wird und dass das Kohlekraftwerk keine Zukunftstechnologie vertritt.

Salko selbst muss keineswegs vor der Digitalisierung Angst haben. Der Chef einer IT-Abteilung hat auch ausreichend Vermögen angesammelt. Trotzdem: Wenn man in Velenje sozialisiert wurde, denkt man für gewöhnlich sehr sozial. Da kann man noch so viel Erfolg oder Geld haben.

Salko ärgert etwa, dass manche Unternehmen sich davor drücken, den Mindestlohn von 842,79 Euro auszuzahlen. Wenn er sagt, er wünsche sich, dass "die Regierung nach der Wahl die gleiche bleibt", so meint er damit in erster Linie, dass die Sozialdemokraten als eine mitwirkende Kraft erhalten bleiben – alles andere ist ihm ziemlich egal. (Adelheid Wölfl, 2.6.2018)