So wird Conchita Samstagabend bei der Eröffnung des Life Ball wohl nicht aussehen. Das Motto lautet "Sound of Music". Das bedeutet: Gamsbärte, Lederhosen & Dirndl.

Foto: Andre Karsai

STANDARD: Erinnern Sie sich an Ihren ersten Life Ball?

Conchita: Ja, zumindest an Teile davon.

STANDARD: Wahrscheinlich nicht an die frühen Morgenstunden.

Conchita: Nein (lacht). Ich muss um die 18 gewesen sein. Wir hatten damals diese Boyband, ich war allerdings der Einzige aus der Truppe, der auch auf der Bühne war. Damals gab es ein Märchen-Motto, ich war das tapfere Schneiderlein.

STANDARD: Als schwuler Bub vom Land auf dem Life Ball – das muss aufregend gewesen sein.

Conchita: Ich hätte getötet, um dabei sein zu dürfen. Ich habe mit 14 das erste Mal vom Ball gehört und wusste sofort: Da muss ich hin. Die Größe der Bühne und die Anzahl der Menschen – da oben wollte ich stehen.

STANDARD: Sie sind zu einem Stammgast des Balls geworden. Wie hat er sich im Laufe der Jahre verändert?

Conchita: Ich bin immer "arbeitend" am Ball, bekomme vom Geschehen wenig mit. Für mich ist es eine riesengroße Show, und wir alle verzweifeln jedes Mal eine Woche davor, ob alles funktionieren wird.

STANDARD: Es stellt sich nach wie vor die Frage: Wie kann man Glamour und Ausgelassenheit mit einer ernsten Sache unter einen Hut bringen? Was antworten Sie?

Conchita: Wenn man Menschen etwas sagen möchte, ist es besser, man macht es auf eine positive Art und Weise! Wir alle werden gerne unterhalten, wir alle sehen gerne Promis. Und wir alle schätzen den erhobenen Zeigefinger etwas weniger.

STANDARD: Offensichtlich ist das Verhältnis zwischen Party und Ernst durcheinandergeraten, sonst hätte man den Ball vor zwei Jahren nicht ausgesetzt.

Conchita: Das war Gerys Keszlers Einschätzung. Im Nachhinein habe ich sie verstanden. Im Vergleich vor und nach der Pause kann ich sagen: Jetzt ist der Ball besser.

STANDARD: Für Sie ist es der erste Ball nach Bekanntmachung Ihres HIV-Status. Gehen Sie mit einer anderen Haltung zum Ball?

Conchita: Dass ich meinen Status öffentlich gemacht habe, hat mich befreit. Wie die Reaktionen am Ball sein werden, weiß ich nicht. Das kann ich danach sagen.

STANDARD: Sie könnten sich jetzt erst recht als Testimonial für die Sache fühlen.

Conchita: Ich bin einer von unzähligen HIV-Positiven und zufälligerweise einer von denen, die es öffentlich gemacht haben. Aus. Fertig. Ich sehe mich in keiner anderen Rolle als sonst. Ich bin mehr als HIV-positiv.

STANDARD: Hat Sie die öffentliche Aufmerksamkeit überrascht, als Sie Ihren HIV-Status publik gemacht haben?

Conchita: Ich habe mich nicht damit beschäftigt. Ich habe sie mitgekriegt, aber sie war mir, Pardon, scheißegal. Meine Beweggründe, es zu tun, waren ganz andere. Was ich schön fand, war, dass die Medien eine Möglichkeit gefunden haben, Menschen aufzuklären. Ich habe gesagt, was es zu sagen gibt.

STANDARD: Was sagen die heftigen Reaktionen über die gesellschaftliche Akzeptanz von HIV und Aids aus?

Conchita: Dass es zwar in vielerlei Hinsicht besser geworden ist, in anderer Hinsicht aber nicht. Stigmatisierung gibt es nach wie vor, und es ist nett, wenn alle so tun, als ob es sie nicht gäbe. Aber es gibt sie. Sprich, es muss dagegen noch mehr getan werden.

STANDARD: Vor allem unter Jüngeren scheint HIV aufgrund der medizinischen Behandelbarkeit viel von seinem Schrecken verloren zu haben. Ist nachvollziehbar, oder?

Conchita: Natürlich macht die Medizin Fortschritte. Man hat die gleiche Lebenserwartung wie alle anderen. Aber nichtsdestotrotz hat man eine chronische Erkrankung. Das darf man nicht unterschätzen. Und man muss mit Stigmatisierungen umgehen. Man spricht ja auch von "sozialem Aids". Aids ist nicht wie Krebs. Wenn man sagt, man hat Krebs, sind alle bestürzt, wenn man sagt, man ist HIV-positiv, dann wird man abgestempelt. Das ist das Problem.

STANDARD: Zurück zum Life Ball: Das Thema heuer ist "Sound of Music". Das Rathaus verwandelt sich in eine Kathedrale, am Ende der Eröffnungsshow werden Sie und Comoderator Herbert Föttinger heiraten. Wie ist Ihr Verhältnis zur katholischen Kirche?

Conchita: Ambivalent. Ich bin ausgetreten, obwohl ich die Grundidee gut finde. Aber die Ausführung ist in vielerlei Hinsicht desaströs. Die Doppelmoral! Was in der Bibel steht und was tatsächlich gelebt wird! Die Kirche gibt aber auch vielen Menschen Kraft, das finde ich wunderschön.

STANDARD: Zeitgleich mit dem Ball veröffentlichen Sie eine Single aus Ihrem Album mit den Wiener Symphonikern, das im Oktober erscheinen wird. Thema: "Sound of Music". Gute Vermarktung!

Conchita: Ich habe bereits im Londoner Palladium "Sound of Music" performt. Mein Album mit den Wiener Symphonikern war schon in Planung, als vom Life-Ball-Thema noch keine Rede war.

STANDARD: Die Mehrheit der Österreicher kennt den Musikfilm "Sound of Music" nicht. Bei Ihnen scheint das nicht der Fall gewesen zu sein.

Conchita: Als Musiker kennt man die Musik, aber ich gehörte auch zu den Menschen, die den Film nicht gesehen haben.

STANDARD: "Der Life Ball sollte nicht notwendig sein", sagte Gery Keszler einmal. Ist er es noch?

Conchita: Ja. Ich finde aber auch, dass der Life Ball seine Pforten für andere Themen öffnen sollte. Für Organisationen, die Geld und Hilfe brauchen. Suchtprävention, Krebsforschung etwa. Jetzt verrate ich ein Konzept, das ich noch nicht einmal Gery erzählt habe (lacht). Ich denke, man sollte sich thematisch weiterentwickeln.

STANDARD: Kann das ein einziger Ball leisten?

Conchita: Er heißt ja Life Ball. Und das Leben umfasst so vieles! (Stephan Hilpold, 1.6.2018)