Teamchef Franco Foda schwört Österreichs Fußballer auf die große Aufgabe ein. Dass das Team sechsmal en suite gewonnen hat, interessiert ihn nur am Rande.

Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Klagenfurt – Ein Fußballspiel gegen Weltmeister Deutschland kann, so kompliziert es sein mag, vereinfacht werden. Österreichs Innenverteidiger Aleksandar Dragovic ließ sich zu folgender, nahezu epochaler Aussage hinreißen: "Die kochen auch nur mit Wasser."

Kapitän Julian Baumgartlinger gab dem geschätzten Kollegen nicht unrecht, wobei er einschränkte, dass dieses Thema ein wenig komplexer sei. Es handelt sich, diese Interpretation ist zulässig, um ein sündteures Hochquellwasser vom Himalaja.

"Bissig, aggressiv, diszipliniert"

Am Samstag (18 Uhr, live ORF 1, Liveticker derStandard.at) steht in Klagenfurt das 40. Duell mit dem großen Nachbarn an, die Bilanz spricht logischerweise gegen die Kleinen (acht Siege, sechs Remis, 25 Niederlagen). Die jüngsten neun Vergleiche gingen allesamt verloren. Dragovic könnte darauf hinweisen, dass Statistik nicht Fußball spielt und der Ball rund ist, er hat es aber nicht getan.

Um halbwegs oder sogar gänzlich zu bestehen, bedarf es laut Baumgartlinger folgender Tugenden: "Wir müssen über die gesamte Zeit zu hundert Prozent ans Limit gehen, bissig, aggressiv, diszipliniert und mutig sein. Ich habe ein sehr gutes Gefühl." Aggressivität dürfe selbstverständlich nicht in Brutalität ausarten. "Wir stehen für Fairness."

Dass Deutschland immer schon den Weltfußball mitdominiert, habe, so der Legionär von Bayer Leverkusen, mehrere Ursachen. "Perfekte Infrastruktur, kontinuierliche Ausbildung, man erkennt die Zeichen der Zeit, vergisst auf keinen Entwicklungsschritt, der wirtschaftliche Rahmen passt, es gibt viele Traditionsvereine. Umbrüche finden auf höchster Ebene statt, auch deshalb ist die Fallhöhe gering."

ÖFB-Umstellungen erwartet

Teamchef Franco Foda streitet "das Außergewöhnliche" an dem Treffen nicht ab. Er spricht von einer "großen Herausforderung", schließlich wolle man sich mit den Besten messen. Er merkte zum gefühlten 128. Mal an, dass die Deutschen in Russland den Titel holen. Zu 50 Prozent, der andere Kandidat ist Brasilien, gegen die Südamerikaner wird am 10. Juni in Wien geprobt. Foda war mit der Leistung beim 1:0 am Mittwoch in Innsbruck gegen Russland hochzufrieden. Dass die Mannschaft schon sechsmal hintereinander gewonnen hat (viermal unter Foda), interessiere ihn nur am Rande. "Das ist für die Zeitungen, für die Fans. Mir kommt es auf die Art, wie wir agieren, an."

Im Vergleich zur Russland-Partie wird es in der Startformation zwei bis drei bis vier Änderungen geben. Vermutlich hütet Jörg Siebenhandl das Tor. Sein Gegenüber ist der lange verletzt gewesene Manuel Neuer, laut Baumgartlinger "immer noch der Beste der Welt". David Alaba sollte fit sein, er wird sich das mit seinem Oberschenkel ausmachen. Die Deutschen wurden am Freitagvormittag auf Video analysiert, sensationelle Aufschlüsse gab es nicht, man kennt sie ja aus dem Fernsehen und aus der Meisterschaft von den Vereinen.

Respekt ja, Schockstarre nein

Joachim Löw ist einst Trainer von Foda in Stuttgart gewesen, mit dem Assistenten Thomas Schneider hat Österreichs Teamchef gemeinsam gespielt. "Ich habe keine Zeit, mich mit Emotionen zu beschäftigen." Der 52-Jährige forderte Mut ein. Die Gefahr, dass elf Zwergkaninchen vor elf Riesenschlangen erstarren, sieht er absolut nicht. "Großer Respekt genügt. Denn sogar die Deutschen haben minimale Schwächen. Und wir haben Qualitäten. Auch Salzburg hat Dortmund geschlagen." Österreich müsse ruhig bleiben, sich damit abfinden, "dass wir seltener als im Normalfall im Ballbesitz sein werden. Die Deutschen dominieren alle ihre Spiele."

Der große Nachbar steckt mitten in der Vorbereitung auf die WM, ist seit zehn Tagen im Trainingslager in Südtirol, genauer in Eppan. Kann sein, dass er physisch nicht in Bestform ist, der Aufbau gilt kaum der ÖFB-Auswahl. Am 21. Juni 1978, vor fast 40 Jahren, war Cordoba. Wobei der Wörthersee nicht in Argentinien liegt. Wer am 2. Juni 2018 auf ein 3:2 für Österreich setzt, bekommt vom Teamsponsor Tipp 3 den 40-fachen Einsatz. Am Sonntag besucht Kanzlerin Angela Merkel die deutsche Mannschaft in Eppan. Im Idealfall bringt sie tröstende Worte mit. (Christian Hackl, 2.6.2018)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen zum Fußball-Länderspiel zwischen Österreich und Deutschland am Samstag in Klagenfurt:

Österreich – Deutschland (Wörthersee-Stadion, 18.00 Uhr/live ORF eins, SR Kralovec/CZE)

Österreich: Siebenhandl (Sturm Graz, 1 Länderspiel) – Dragovic (Leicester City/ENG, 63/1 Tor), Prödl (Watford/ENG, 67/4), Hinteregger (FC Augsburg/GER, 29/2) – Lainer (Salzburg, 5/0), Baumgartlinger (Bayer Leverkusen/GER, 62/1), Ilsanker (RB Leipzig/GER, 28/0), Alaba (Bayern München/GER, 61/12) – Schöpf (Schalke 04/GER, 16/3), P. Zulj (Sturm Graz, 2/0) – Arnautovic (West Ham/ENG, 70/19)

Ersatz: Lindner (Grasshopper Zürich/SUI, 18), Stankovic (Salzburg, 0), Strebinger (Rapid Wien, 0) – Bauer (Stoke City/ENG, 5/0), Potzmann (Sturm Graz, 0), Danso (FC Augsburg/GER, 5/0), Wimmer (Stoke City/ENG, 8/0), Hierländer (Sturm Graz, 1/0), X. Schlager (Salzburg, 3/0), Grillitsch (1899 Hoffenheim/GER, 9/1), Murg (Rapid Wien, 0), Schaub (Rapid Wien, 9/5), Kainz (Werder Bremen/GER, 9/0), Burgstaller (Schalke 04/GER,17/1), Alar (Sturm Graz, 2/0)

Es fehlen: Sabitzer (Schulterverletzung), Lazaro, Gregoritsch (beide Adduktorenprobleme), Ulmer (Muskelfaserriss), Wöber (Oberschenkelprobleme)

Fraglich: Alaba (Oberschenkelprobleme)

Deutschland: Neuer (Bayern München, 74 Länderspiele) – Kimmich (Bayern München, 27/3), Rüdiger (Chelsea/ENG, 23/1), Süle (Bayern München, 9/0), Hector (1. FC Köln, 36/3) – Khedira (Juventus Turin/ITA, 73/7), Gündogan (Manchester City/ENG, 24/4) – Brandt (Bayer Leverkusen, 14/1), Özil (Arsenal/ENG, 89/22), Reus (Borussia Dortmund, 29/9) – Werner (RB Leipzig, 12/7)

Ersatz: ter Stegen (FC Barcelona/ESP, 19), Leno (Bayer Leverkusen, 6), Trapp (Paris SG/FRA, 3) – Plattenhart (Hertha BSC, 6/0), Ginter (Borussia Mönchengladbach, 17/0), Tah (Bayer Leverkusen, 3/0), Rudy (Bayern München, 24/1), Goretzka (Schalke 04, 14/6), Sane (Manchester City/ENG, 11/0), Gomez (Vfb Stuttgart, 73/31), Draxler (Paris SG/FRA, 42/6), Petersen (Freiburg, 0)

Es fehlen: Boateng (nach Oberschenkelverletzung), Kroos (noch nicht beim Team), Th. Müller, Hummels (werden beide geschont)

Fraglich: Gomez (muskuläre Probleme)