Für die Europäische Union sieht die Lage nicht gut aus wegen der Eskalation im Handelsstreit mit den USA. Es fehlt ihr an Tempo und Entschlossenheit. Und viele EU-Staaten sind mehr mit sich selbst und ihren nationalen Befindlichkeiten beschäftigt als mit den Herausforderungen auf der Weltbühne. Siehe Italien.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat zwar recht, wenn er festhält, dass der glatte Bruch internationaler Regeln und völkerrechtlicher Vereinbarungen durch Donald Trump völlig unakzeptabel sei. Aber die europäische Empörung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU-Institutionen und die Länder offenbar noch immer nicht richtig glauben wollen, dass der US-Präsident seine Drohungen tatsächlich wahrmachen will.

Sie neigen dazu, den Rambo im Weißen Haus nicht ganz ernst zu nehmen. Eine Arroganz, die sich rächen könnte. Bei vielen schwingt noch immer ein ungläubiges Staunen über das irrationale Powerplay in Washington mit, welches der deutsche Außenminister Heiko Maas bei einem Treffen mit seinem US-Gegenüber Pompeo perfekt zum Ausdruck brachte: "Mike, das kann doch wohl nicht euer Ernst sein", sagte er zur US-Idee, auch deutsche Autos mit Strafzöllen zu belegen.

Maas' Punkt war nicht schlecht, denn Trump begründet die verhängten Strafzölle (zunächst auf Stahl und Aluminium) mit der Gefährdung der Sicherheit in den USA – juristisch mehr als holprig. Aber das ändert nun einmal nichts an der Realität. Trump hat es getan. Seit Freitag gelten Strafzölle.

Und die Europäer? Waren nicht in der Lage, sofort zu reagieren, obwohl seit langem klar ist, was kommt. Sie brauchen jetzt erst einmal mindestens bis 20. Juni, ehe sie ihre Gegenzölle auf US-Produkte real umsetzen können, obwohl sich die Staats- und Regierungschefs vor zwei Wochen beim EU-Gipfel in Sofia zum Thema berieten.

Tempo und Tatkraft fehlen

Es fehlt in der gemeinsamen Außenhandels- und Außenpolitik der Europäer einfach an Tempo und Tatkraft. Wer auf der Weltbühne so auftritt, dem fehlt es an Glaubwürdigkeit und Abschreckungswirkung. Die EU-Staaten haben nun – vertreten durch die Kommission – gar keine andere Wahl, als ihren engen transatlantischen Partner bei der Welthandelsorganisation (WTO) zu verklagen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie dort auch Recht bekommen. Aber solche Verfahren dauern Jahre, mindestens zwei, sagen Experten. Das ist verdammt lang, wenn man bedenkt, wie brüchig der Kitt im Inneren der Union ist und was in den kommenden Monaten auf sie zukommt.

Dass just am Tag des Inkrafttretens der US-Strafzölle eine EU-feindliche Regierung im Gründerland Italien antritt, passt wie die Faust aufs Auge. In nur zehn Monaten wird Großbritannien nicht mehr EU-Mitglied sein (und wohl sofort einen Freihandelsvertrag mit den USA suchen). Die EU-27 sollen den Budgetrahmen bis 2027 aushandeln, vor Weihnachten beginnt der Wahlkampf für die Europawahlen im Mai 2019. Zum Glück brummt die Wirtschaft in Europa, sonst würde das EU-Boot noch mehr schaukeln.

Zu allem Unglück gibt es im Herbst auch in den USA Wahlen, Repräsentantenhaus und ein Teil des Senats werden neu besetzt. Mister Trump ist also bereits im Wahlkampf. Man kann sich ausrechnen, wie er im Handelsstreit mit den EU-Europäern verfahren wird. Die meisten EU-Staaten sind auch Mitglieder der Nato. Auch dort wird der US-Präsident die Schrauben anziehen, Stichwort Budgetbeiträge. Keine rosigen Aussichten also. (Thomas Mayer, 1.6.2018)