Das Waldschlössel am Attersee im Nobel-Eck Unterburgau

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Linz – Maler, Künstler, Dichter, Denker, Großindustrielle und Exzentriker – sie alle erlagen der Magie in Türkis-Blau. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Attersee Sehnsuchtsort des Bürgertums und beliebtes Ziel der alljährlichen Sommerfrische. Größen wie Johannes Brahms, Ignaz Brüll, Victor Léon, Gustav Klimt und Gustav Mahler steckten dereinst die Füße ins klare Salzkammergut-Wasser – nicht selten vom eigenen Seegrund aus. Die zahlreichen Prachtvillen sind heute steinerne Zeugen der Leichtigkeit des Seins am Attersee.

Weg vom nährenden Musen-Busen

Die lange Geschichte des Wohlstands und insbesondere der historische Promifaktor rechnet sich natürlich vor allem aus touristischer Sicht. Doch selbst wenn die letzte Klimt-Praline verspeist, das Mahlersche Komponierhäuschen in Steinbach überrannt und die "original" Emilie Flöge-Reformrobe längst im Reisekoffer verstaut ist, bleiben rund um die architektonischen Perlen am Seeufer Geschichten zurück.

Die in Wien und St. Gilgen am Wolfgangsee lebende Historikerin Marie-Theres Arnbom hat sich vor gut einem Jahr zu einer Spurensuche rund um den Attersee aufgemacht. Abseits ausgetretener Touristenpfade und weit weg von Klimt samt Muse im Ruderboot. Der "Reisebericht" ist nun in Buchform erschienen und wurde am Freitagabend in der "Bandlkramerey" der Trachtendynastie Tostmann in Seewalchen der Öffentlichkeit präsentiert.

Liebe und Tod am See

"Die Villen vom Attersee – Wenn Häuser Geschichten erzählen" umfasst das Leben in 33 Nobelunterkünften am Attersee. Fast vollständig wurde auf den Promifaktor verzichtet, vielmehr holt Arnbom Menschen vor den Vorhang, deren Namen längst in Vergessenheit geraten waren.

Dem Untertitel folgend, liefert das Buch keine Detailschilderungen vom Villen-Giebel bis zum Keller für Architektur-Verliebte. Immer geht es um die Menschen, die Geschichten in und um die Prachtbauten. Da sorgt der Mord an der "Magnaten-Elsa" für Spannung, löst der unglücklich verliebte und vermögende Erbauer des Schlosses Litzlberg Mitleid aus, nimmt einen der Wiener Kieferchirurg mit auf eine Reise in die Anfangstage des Union-Yacht-Clubs Attersee. Es ist ein historischer Paarlauf: Die Villen brauchen die Geschichten, die Geschichten kommen ohne die pompösen Bauten nicht aus. Marie-Theres Arnbom weiß diese Symbiose im besten Lesersinn zu nutzen. Auch wenn die Autorin im Standard-Gespräch betont, sie sei "eben keine Journalistin, sondern Historikerin" – ihr Instinkt für "gute Geschichten" über mit mit Macht, Geld, Liebe, Eifersucht und Mord angereichte Leben ist ein durchaus journalistischer. Und steigert wohl auch die Leselust.

Dunkle Seiten

Arnbom sagt auch ganz offen, dass "die Häuser alleine" zu wenig gewesen wären. Und sie hätte auch nicht die "immer gleichen Geschichte neu zusammmentragen wollen". Was mit dem vorliegenden Buch durchaus gelungen ist. Selbst vermeintliche Attersee-Kenner werden wohl auf neue Erkenntnisse stoßen. Vor allem aber macht "Die Villen vom Attersee" auch den Blick auf die Schattenseite der Sommerfrische frei.

Die NS-Oberschicht war dereinst ganz begierig nach Liegenschaften im Salzkammergut, wegen der Landschaft, wegen der Nähe zu Hitlers Sommersitz am Obersalzberg, zuletzt auch wegen des Mythos der angeblich sicheren Alpenfestung, vor allem aber wegen der vielen sich anbietenden Villen in jüdischem Eigentum. So wurden auch am Attersee ab 1938 Villen und Herrschaftshäuser oft in Enteignungen ihren Bewohnern entzogen. Und auch diese Geschichten gilt es, bei all dem Klimtschen' Frohlocken, an den Ufern des Sommerfrische-Paradieses zu erzählen. (Markus Rohrhofer, 02. 06. 2018)