Milorad Dodik, der Präsident der Republik Srpska (links) mit Wladimir Putin.

Foto: ALEKSEY NIKOLSKY

Putin zwischen Israels Premier Benjamin Netanyahu und Serbiens Präsidenten Aleksandar Vucic bei einer Militärparade in Moskau.

Foto: Sputnik

Bild nicht mehr verfügbar.

"Die Nachtwölfe" wollen den "kulturellen Einfluss des russischen Reiches auf dem Balkan" erkunden.

Foto: AP

Kürzlich war die nationalistische russische Motorradgang "Die Nachtwölfe" in Bosnien-Herzegowina und in Serbien unterwegs, von ihnen gibt es auch einen serbischen Ableger. Man wolle den "kulturellen Einfluss des russischen Reiches auf dem Balkan" erkunden, hieß es als Begründung. Die Nachtwölfe hatten am verfassungswidrigen RS-Feiertag, dem 9. Jänner auch den Präsidenten des Landesteils Republika Srpska, Milorad Dodik getroffen. In Banja Luka kann man wenn die Wahlen nahen, Putin auf Plakaten gemeinsam mit Dodik sehen.

In Serbien und in der Republika Srpska ist es nicht so sehr der wirtschaftliche Einfluss von Putins Russland, sondern der ideologische, der westlich ausgerichteten Serben Sorgen macht. Insbesondere die bosnische populistische SNSD, die auch mit der FPÖ eng befreundet ist, hat Putin zu ihrem Idol erhoben. SNSD-Chef Milorad Dodik sucht jede Gelegenheit, um sich mit Putin fotografieren zu lassen – koste es was es wolle.

Feindbild Liberalismus

Die Ideologie, die diese prorussischen Kräfte auf dem Balkan vermitteln, ist in etwa so zusammenzufassen: Der Westen und der Liberalismus werden abgelehnt, "starke Männer", die einen autoritären Führungsstil prägen werden idealisiert, die Gesellschaft soll aufgrund von Volkszugehörigkeit und Familienbanden organisiert werden, die orthodoxe Glaubensgemeinschaft gilt dabei als Merkmal der Zusammengehörigkeit, traditionelle Geschlechterrollen werden gepflegt und die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit und Abhängigkeit von Russland forciert.

Zu den Feindbildern gehören alle Liberalen, die Nato und in einem gewissen Ausmaß auch die EU. Die Integration in die EU wird von diesen Kräften jedenfalls nicht unterstützt. Sie wollen einen starken möglichst homogenen Nationalstaat, der auf völkischen Prinzipien aufbaut. Freie Medien, freie Meinungsäußerung und die Freiheit des Individuums werden als Propaganda, Fake News, westlicher Kolonialismus, Zerstörung der lokalen Kultur, Gefährdung der Identität oder Zerstörung der Familie missachtet und schlecht gemacht.

Wohlstandsvergleich

Ziel ist es, den Einfluss Russlands auf dem Balkan zu stärken und den Einfluss der westlichen europäischen Staaten und der USA zu schwächen. Das gelingt auch deshalb ganz gut, weil der Kollektivismus in Südosteuropa ohnehin viel stärker ausgeprägt ist und viele wissen, dass sie im Wohlstandsvergleich ohnehin vom Westen und Norden Europas abgehängt sind und auch bleiben werden. So wird auch aus Neid der Westen abgelehnt.

In den letzten Jahren war realpolitisch der Einfluss Russlands in Mazedonien am größten. Das Land unter der Führung der prorussischen VMRO-DPMNE unterstützte auch die Pipeline-Pläne Moskaus in Europa. Das mazedonische Regime war bereits so weit entfernt von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung, dass die EU und die USA schließlich vor drei Jahren einen Reformprozess einleiteten. Heute gilt Mazedonien unter der Führung der sozialdemokratischen Regierung als Vorbild für andere Balkan-Staaten. Doch man darf nicht vergessen, dass es nach wie vor viele nationalkonservative Mazedonier gibt, die Russland mehr vertrauen und gegenüber dem Westen ein tiefes Misstrauen hegen.

Propagandamedien aus Russland

Um dieses Weltbild zu verstärken, werden auch Propagandamedien eingesetzt – viele Meldungen werden von Sputnik oder Russia Today verbreitet und in den Medien auf dem Balkan aufgenommen, oft unkritisch, als würde es sich um Agenturen handeln und nicht um Manipulation. Wegen dieser Propaganda sind viele auch falsch über die tatsächliche Unterstützung Russlands im Vergleich zu jener der EU, informiert. So sagten 25 Prozent der befragten serbischen Bevölkerung bei einer Meinungsumfrage im Vorjahr, dass Russland der größte Geldgeber für Entwicklungshilfe in Serbien sei – dies entspricht freilich nicht der Realität – im Zeitraum 2000 bis 2015 war es die EU, die am meisten überwies.

Die serbische politische Elite, die an der Macht ist, ist was Russland betrifft – gespalten. Es gibt den prorussischen Flügel, zu dem Außenminister Ivica Dačić und seine Sozialistische Partei gehören, Präsident Aleksandar Vučić ist pro-westlicher ausgerichtet. Die serbischen Regierungspropaganda-Medien sind allerdings derart prorussisch und antiwestlich, dass man meinen könnte, sie würden direkt aus Moskau diktiert.

Nicht auf zwei Stühlen sitzen

Der ehemalige Vize-Staatssekretär Hoyt Brian Yee warnte voriges Jahr, Serbien könne nicht auf "zwei Sesseln sitzen, insbesondere, wenn diese so weit voneinander entfernt stehen". Seit Vučić 20012 an die Macht kam, wurde auch die militärische Kooperation mit Russland wieder aufgenommen. Serbien hat Beobachterstatus in dem von Russland geführten Militärbündnis "Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit" (OVKS). Aber Vučić versucht die westliche und die russische Karte auszuspielen. So ist Serbien auch Teil des Programms Partnerschaft für den Frieden der Nato.

Heute unterstützen andererseits Serbien und Bosnien-Herzegowina – im Gegensatz zu Montenegro – die Sanktionen gegen Russland nicht. Prinzipiell kann man sagen, dass alle Staaten an der Adria (Slowenien, Kroatien, Montenegro und Albanien) zumindest in militärischen Fragen hingegen prowestlich ausgerichtet sind. Serbien will neutral bleiben. Dabei geht es nicht nur um aktuelle Fragen, sondern um lange historische Entwicklungen.

Bereits 1888 wurde im Katechismus für das serbische Volk gelehrt, das große mächtige Russland sei der einzige aufrichtige und verlässliche Freund der Serben. Der russische Zar Peter der Große (1682 bis 1721) war Hoffnungsträger für die Balkanchristen, er rief sie zum Aufstan(d gegen das Osmanische Reich auf. Sein Unterstützer, der serbische Graf Sava Vladislavić schrieb im Namen Peter des Großen ein Manifest an alle "griechischen und römischen Christen" auf dem Balkan – sie sollten mit den Russen für Glauben und Vaterland kämpfen, man werde die "Nachfahren Mohammeds in die Wüste schicken".

Bosnien-Herzegowina aussenpolitisch gespalten

Bosnien-Herzegowina ist aussenpolitisch gespalten – während die Bosniaken und Kroaten traditionell mehrheitlich prowestlich sind – sind viele Serben und damit auch der Landesteil Republika Srpska prorussisch ausgerichtet. Laut einer Umfrage des des "Center for Insights in Survey Research" in Bosnien-Herzegowina im Vorjahr begrüssten 91 Prozent der befragten bosnischen Serben, 65 der bosnischen Kroaten und 55 Prozent der bosnischen Bosniaken enge Verbindungen mit Russland. 57 Prozent der Bosniaken plädieren stark für einen Beitritt zur Nato, bei den Kroaten sind es 53 Prozent, bei den bosnischen Serben nur zwei Prozent.

Die Frage, ob Bosnien und Herzegowina zum Westen gehöre, bejahen 29 Prozent der Bosniaken, während dies nur 17 Prozent der Kroaten und 15 Prozent der Serben tun. 43 Prozent der Bosniaken halten die Türkei für den wichtigsten Partner, bei den Kroaten liegt Deutschland mit 41 Prozent vorne, bei den bosnischen Serben Russland (47 Prozent). Die Lieblingspolitikerin der Bosniaken ist eindeutig Angela Merkel (81 Prozent), die gleiche Zustimmung erhält sie von den Kroaten, während sie von 50 Prozent der Serben abgelehnt wird. Dafür finden 93 Prozent der Serben Vladimir Putin toll, bei den Bosniaken sind es nur 29 Prozent, bei den Kroaten immerhin noch 57 Prozent. 58 Prozent der Bosniaken unterstützen einen säkularen Staat stark, 56 Prozent der Kroaten und 49 Prozent der Serben.

Erjavec und Agrokor

Auch in Slowenien und in Kroatien gibt es prorussisch ausgerichtete Politiker – etwa der Langzeit-Außenminister Sloweniens Karl Erjavec. Er wurde für die Wahl diesen Sonntag sogar vom russischen Botschafter unterstützt. In Kroatien machte vor allem die Abhängigkeit des größten Handelskonzerns Agrokor von russischen Banken einigen im Westen Sorgen. In Mitteleuropa ist aber zu merken, dass durch den wirtschaftlichen Einfluss auch eine gewisse Kompromissbereitschaft in politischen Fragen einhergeht. (Adelheid Wölfl, 3.6.2018)