Das Leiner-Haus, Flaggschiff der Gruppe auf der Wiener Mariahilfer Straße, ist bereits verkauft. Doch die finanzielle Lage des Möbelkonzerns bleibt angespannt.

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Kika/Leiner kommt nicht zur Ruhe. Sechs Monate ist es her, dass dem Möbelhändler, der unter der Krise seiner Konzernmutter Steinhoff leidet, finanziell beinahe die Kraft ausging. Eine Geldspritze in Höhe von 100 Millionen Euro sollte eine längere Atempause verschaffen. Nun spitzt sich die Lage wieder dramatisch zu.

Die Schwierigkeiten des weltweit zweitgrößten Möbelhändlers, der südafrikanischen Steinhoffgruppe, haben auch auf Oberösterreich Auswirkungen.
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Die Einrichtungskette, die mit ihrem Erzrivalen XXXLutz den Großteil des österreichischen Möbelmarktes bedient, ist in Alarmbereitschaft. Auslöser sind große Kreditversicherer. Sie entschieden Freitagnachmittag einhellig, etwaige Forderungsausfälle für Lieferanten nicht mehr abzusichern, erfuhr Der Standard. Betroffen ist die gesamte Steinhoff-Gruppe weltweit, bestätigt Kika-Leiner-Sprecherin Sonja Felber. Man werde umgehend intensive Gespräche mit den Versicherern und Lieferanten aufnehmen, sagt Geschäftsführer Gunnar George in einer ersten Reaktion. Er werde mit seinen Mitarbeitern für eine "tragfähige Lösung für Österreich" kämpfen.

Für die Industrie hat die Causa schwerwiegende Folgen: Sie hat bei der Belieferung von Kika/Leiner ab Montag kein Sicherheitsnetz mehr. Es sei denn, der Konzern zahlt für die Einrichtung, von Küchen bis zur Bettzeuglade, im Voraus, was jedoch schwer zu bewältigen ist. Das Unternehmen unterzieht sich einem scharfen Sparkurs. Zudem stehen im Juni die Urlaubsgelder der Beschäftigten an. Von 30 bis 50 Millionen Euro ist in der Branche die Rede, die Kika/Leiner aufbringen müsste, um keine Engpässe zu riskieren. Diese könnten auch bei Waren drohen, die Kunden bestellten und für die Anzahlungen geleistet wurden.

Ohne Versicherung läuft nichts

Kreditversicherer sichern die Geschäfte der Lieferanten ab. Vor allem für große Produzenten sind sie unerlässlich, keine Lieferung läuft ohne sie. Für Kika/Leiner galt im vergangenen halben Jahr aufgrund der widrigen finanziellen Lage eine Spezialregelung, erzählen mit dem Unternehmen Vertraute. Statt für wie sonst üblich 100 Prozent der Ausfälle seien die Versicherer für 75 Prozent der offenen Forderungen gerade gestanden. Ein Risiko, mit dem die meisten Partner der Gruppe leben konnten. Doch damit ist nun Schluss.

Kika/Leiner muss ab morgen evaluieren, wie es operativ weiter geht. Auf dem Spiel stehen nicht nur die mehr als 5000 Arbeitsplätze der Gruppe. Auch bei Lieferanten der Österreicher hängen hunderte Jobs vom Gedeih des Marktriesen ab. Von den Folgen für Steinhoff, weltweit die Nummer zwei im Möbelhandel, nicht zu reden. Für viele Geschäftspartner kam die Notbremse der Versicherer Ende der Woche "überraschend und unverständlich": Kika/Leiner habe stets pünktlich gezahlt, sagt ein internationaler Produzent dem Standard, der sich an keinen ähnlichen Fall in dieser Dimension erinnern kann. Von Worst Case spricht ein anderer Industrieller.

Hoffen auf neue Geldgeber

Die Geschäftspartner der Möbelgruppe warten nun auf rasche Informationen aus dem Management. Jeder hoffe, dass Kika/Leiner wieder auf gesunde Beine komme, so der Tenor, der Markt dürfe nicht wenigen Platzhirschen wie XXXLutz überlassen werden. Klar sei aber auch, dass man auf der sicheren Seite bleiben müsse: Produzenten seien schließlich keine Bank.

Kika/Leiner, einst in Hand der Familie Koch, ist seit fünf Jahren unter dem Dach der südafrikanisch-deutschen Steinhoff-Gruppe. Der börsennotierte Konzern verstrickte sich in einen Bilanzskandal und steckt seit Ende 2017 in schweren finanziellen Turbulenzen. Kika-Leiner-Chef Gunnar George verkaufte in Österreich den Leiner-Flagshipstore auf der Wiener Mariahilfer Straße, kündigte die Schließung von vier der 50 Standorte hierzulande an und stampfte die neue Diskontlinie Lipo ein. Angesichts der Widrigkeiten, die Gunnar George zufolge nicht hausgemacht seien, mehren sich nun Spekulationen über einen Verkauf von Kika/Leiner an große deutsche Konkurrenten. Verhandlungen mit finanzkräftigeren Eigentümern als Steinhoff sollen bereits im Gange sein. (Verena Kainrath, 3.6.2018)