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Piaggio ist gut geübt in Jubiläen. Vor zwei Jahren feierte der Roller-Hersteller aus dem toskanischen Pontedera den 70. Jahrestag der Produktion der ersten Vespa mit zahlreichen Sondermodellen. Und auch heuer gilt es, einen runden Geburtstag zu begehen: Den 50er des Modells Primavera, kein Modell war in der Firmengeschichte erfolgreicher und beliebter.

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Also fast schon logisch, dass man in Pontedera nicht nur überschwänglich Spumante-Flaschen köpft, sondern heuer auch eine ganze Reihe an Sondermodellen herausgibt, die die "normale" aktuelle Vespa Primavera noch einmal ein bissl spezieller machen sollen. Auch die Sprint – sie ist die eher sportive Zwillingsschwester der stets hocheleganten Primavera – bekommt aus diesem Anlass mehrere neue Outfits. Das gilt auch für die große Schwester GTS (125 und 300 Kubik). Es ist doch eine etwas größer geratene Geburtstagsparty geworden, hoffentlich ist für alle genug zu trinken da. Aber schauen wir erst einmal, wer aller auf der Fete schon aufgekreuzt ist – und wer noch kommen wird...

Vespa Primavera 50° Anniversario

Schon seit Mai gibt es das eigentliche Geburtstagskind "Primavera 50° Anniversario" als 50er und 125er bei den Händlern und auf der Straße. Von der "normalen" Primavera und GTS unterscheidet sich dieses Jubiläumsmodell nicht nur durch die Farben "Azzurro Anniversario" (blau) und "Marrone Anniversario" (braun), sondern auch durch weiße Sättel (statt schwarz oder braun) und eine zeitgemäße LED-Lichtanlage. Die Felgen – normalerweise in farblos lackiertem Alu – sind bei diesem Sondermodell zweifärbig, nämlich Alu/schwarz.

"Marrone Anniversario" und "Azzurro Anniversario" sind die Farben des Geburtstagskindes.
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Vespa Primavera Touring

Dass die Vespa – zumindest früher – auch für längere Urlaubsfahrten herhalten kann (haben Sie auch einen Schwiegervater oder eine Tante, die damit von Wien bis nach Neapel fuhr, zwei Tage dort blieb und dann wieder wochenlang zurück brauchte?), soll das Sondermodell "Primavera Touring" unterstreichen.

Auf und in den Rollern mit den Kubaturen 125 und 300 (Liebe Spezialisten: Ja, wir wissen eh: Die 300er ist in Wirklichkeit eine 278er) sind zusätzlich verchromte Gepäckträger vorne und hinten sowie eine halbhohe Windschutzscheibe verbaut. Die braune Sitzbank ist gesteppt und harmoniert super mit "Rosso Vignola" (ein bordeau-artiges Rot) und "Marrone Creta Senese" (ein an Cappuccino erinnerndes, cremiges Braun). Die Felgen sind klarlackiert.

Zum Cappuccino nach Grado mit der Touring.
Foto: piaggio

Vespa Primavera S

Nicht nur optisch, sondern auch technisch besonders ist das Sondermodell "S" für die Sprint und für die GTS. Diese "sportliche" Variante der Vespa wird je nach Fahrwerksgröße mit den Motorisierungen 50, 125 und 300 angeboten. Schneller als die anderen Wespen ist sie nicht, die Besonderheit liegt vor allem in den Bereichen Connectivity und Lenker-Display. Das TFT-Bildschirmchen in Smartphone-Größe soll alle alle Stückeln in allen Farben spielen. Das Bordinstrument zeigt nicht nur die wichtigsten Fahrzeugdaten an, sondern dient auch als Display für die Vespa Multimedia-Platform (VMP). Via Smartphone-App (Download: hier für iOS-Geräte und hier für Android-Smartphones) soll sich das TFT-Display individuell konfigurieren lassen, es können auch Sprachbefehle an das Smartphone übermittelt und eine eigene Musik-Playlist über den Mode-Schalter am Roller gesteuert werden. Piaggio spricht von einer "echten Revolution" für die Vespa. Mal sehen, wir haben's bisher nicht getestet.

Das volldigitale Display der Primavera S. Das Handy fährt mit.
Foto: faber

Vespa Notte

Der Clou für das Sondermodell "Notte" ist rasch erklärt: Schwarz ist das neue Schwarz. Nicht für die Primavera, sondern nur für die Sprint und die GTS gibt es seit Juni diese Variante, die zur Gänze auf die Farbe "Nero Vulcano" setzt. Felgen: schwarz. Spiegel: schwarz. Auspuffabdeckung: Schwarz. Seitenleisten: Schwarz. Bloß der Keder auf der Sitzbank darf weiß sein, ebenso – höchst zweckmäßig – die Blinker- und Scheinwerfergläser. Sollten Tommy Lee Jones und Will Smith jemals einen weiteren Teil von "Men in Black" drehen, wäre die Notte zweifellos ihr Dienstfahrzeug für den urbanen Raum.

Black ist the new black.
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Vespa Yacht Club

In krassem Gegensatz dazu steht das ab August erhältliche Sondermodell "Yacht Club" in den Ausführungen 50 und 125 (Primavera) sowie 125 und 300 (GTS). Alles ist in schimmerndem Weiß (Bianco Metallic) gehalten, da und dort durch marineblaue Elemente und Streifen unterbrochen, bis hin zu den Felgen. Die blau-weiße Sitzbank sieht so aus, als habe man dafür die Markise einer Gelateria in Siracusa entwendet. Macht sich sicher gut an der mondänen Hafenmole.

Für Manche wird aber Weiß-Blau das neue Schwarz sein.
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Designmäßig ist also viel los bei der Primavera und ihren Geschwistern, die Verkäuferinnen und Verkäufer könnten bei "Wetten dass..." auftreten, gäbe es die Sendung noch und hätten sie die Preis- und Ausstattungsliste im Kopf.

Sie ist erwachsener geworden

Wie aber fährt sich das Geburtstagskind? Was kann sie? Nun: Sie ist objektiv besser geworden. Und zwar um Einiges. Der größte Unterschied zu den ersten Modelljahren ist die Bereifung. Die große Schwester GTS hat ihre größeren 12-Zoll-Felgen hergeborgt, und nun denkt die kleine Schwester nicht im Traum daran, sie jemals wieder zurückzugeben. Das ist nur allzu verständlich: Mit den größeren Reifen fährt man plötzlich einen ganz anderen Roller, Schlaglöcher und andere Unebenheiten verlieren viel von ihrem Schrecken, die ganze Fuhre liegt viel ruhiger auf der Straße als früher, als die Primavera noch auf 11-Zöllern unterwegs waren (die Sprint hatte die 12-er schon länger). Plötzlich gibt es so etwas wie ein Fahrwerk, das schon recht nah dran ist an jenem der GTS. Warum man das bei Piaggio nicht gleich so gemacht? Weiß der Himmel... Aber egal. Gut so!

Im Vergleich zum Bestseller GTS ist die Primavera bzw. Sprint (im Wesentlichen unterscheiden sie sich durch ein unterschiedliches Schweinwerfer-Design) merklich kompakter und schmaler. Small-Frame versus Big-Frame, den Unterschied gab es schon in den 1960ern. Sie eignet sich fürs Kolonnenschlängeln noch besser als die ohnehin schon wendige große Schwester.

Ein deutlicher Vorteil der kleinen Primavera zur großen GTS: Ein Vollvisierhelm passt problemlos rein. (Vom Helmmodell und dessen Größe abhängig. Ausprobieren!)
Foto: gian

Und noch einen wesentlichen Vorteil hat die "Kleine" gegenüber der größeren GTS: Ihr Helmfach ist tatsächlich eines, das diesen Namen auch verdient: Der Stauraum unter der Sitzbank schluckt anstandslos einen Vollvisierhelm, sofern er nicht allzu groß ist (muss man halt individuell ausprobieren: Mein Shoei NXR in Größe M passt locker rein). Bei der GTS bekommt man einen, manchmal auch zwei Helme rein, aber nur, wenn sie kompakte, an der Seite sehr kurze Jethelme sind. Integralhelm? Vergiss es. Die Primavera/Sprint aber packt das. Sehr fein.

Der zähe Dreh am Gasgriff

Im Stadtbetrieb ist die Primavera/Sprint eine Gaudi, vor allem mit 150 Kubikzentimeter Hubraum. Die 125er hingegen ist bis ca. 60 km/h absolut okay, dann aber wird es recht zäh. Und irgendwann recht deutlich unter 100 km/h ist überhaupt Schluss. Das mag zwar auf dem Papier egal sein, denn wo im urbanen Raum darf man schon über 70 oder 80 km/h fahren? Aber nein: Es ist nicht egal, denn wenn Drehmoment und Beschleunigung nicht ausreichen, dann wird eine Fahrt z.B. auf der Wiener Südosttangente zur schweißtreibenden Angelegenheit. Okay: Man darf ruhig einwenden, dass man als Rollerfahrer auf der Tangente eh nichts verloren hat, aber trotzdem. Manchmal muss es halt sein.

Der Leistungsunterschied der luftgekühlten 125er Primavera/Sprint zur wassergekühlten GTS (11 PS vs. 12,2 PS) ist doch recht deutlich zu spüren, vor allem aber zur vorigen Motorengeneration Euro 3. Die neuen Euro 4-Triebwerke müssen Federn lassen, um die Abgasvorschriften zu erfüllen – das ist aber ein Problem, das jeder Hersteller zu lösen hat.

Kinderspiel: Kürzere Übersetzung durch Optimierung der Variomatik (links) und der Kupplung (rechts). (Symbolbild: Eine alte Vespa GTS 125)
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Kleine Bastelei, große Wirkung

Doch ein bisschen kann man schon tun, wenn man die B-Führerschein-taugliche 125er Primavera/Sprint flotter fahren möchte. Mehrere Hersteller bieten Sets an, mit denen man die Variomatik – das stufenlose Getriebe des Rollers – optimieren kann. Das sind – wohlgemerkt – keine leistungssteigernden Maßnahmen am Motor, sondern bloß Veränderungen für etwa eine kürzere Übersetzung, die eine bessere Beschleunigung aus dem Stand, aber auch im Fahrbetrieb ermöglichen sollen. Kritiker bemängeln die kürzere Lebensdauer der Verschleißteile (Rollen und Riemen), Fans freuen sich hingegen darüber, dass sie wesentlich besser im Verkehrsgewühl zurecht kommen. Ausprobieren muss es jede/r selber. Wenn Sie nach "Vespa" und "Variomatik" googlen, bekommen Sie sehr schnell sehr viel Lesestoff.

Und dann können Sie bei der Geburtstagsparty für die Primavera sicher viel Sinn- und Lehrreiches zum Smalltalk beitragen. Aber Achtung: Nicht zu oft zum Aperol Spritz greifen, sonst dürfen sie nicht mehr selber nach Hause fahren. Und darum geht's ja. (Gianluca Wallisch, 8.7.2018)

Buon compleanno, Vespa Primavera!
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