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Während der Pause muss die Arbeitspflicht ruhen; der Arbeitnehmer muss über diese Zeit nach seinem Belieben verfügen können. Pause ist echte Freizeit.

Foto: AP / Frank Augstein

Wien – Beträgt die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden, ist eine mindestens halbstündige unbezahlte Ruhepause zu gewähren. Übersieht das ein Arbeitgeber einmal, ist das zwar falsch, aber noch mit wenig Risiko verbunden: Bei einer Prüfung kommt er in aller Regel mit 72 Euro davon.

Heikel wird es, wenn eine Vielzahl von Arbeitnehmern betroffen ist, und ihnen die – nicht konsumierte – Mittagspause auch noch automatisch von der Arbeitszeit abgezogen wird. Dann wurde zu wenig bezahlt – die Mitarbeiter können Entgeltnachforderungen stellen. Zusätzlich drohen drastische Verwaltungsstrafen wegen Unterentlohnung.

Im entschiedenen Fall (OGH 30. 1. 2018, 9 ObA 9/18s) forderten mehrere Mitarbeiter des Zugbordservice Entgelt für entfallene Mittagspausen. Sie waren im Bordrestaurant tätig und versorgten Gäste auch am Sitzplatz mit einem Trolley für Speisen und Getränke. Laut einem "Umlaufplan" sollten sie ihre Mittagspausen "unter Rücksichtnahme auf die Kundenfrequenz" halten. Eigene Sitzplätze oder gar ein Abteil standen ihnen dafür nicht zur Verfügung.

Keine vorhersehbaren Zeiträume

Wenn sich die Kläger in ihrer Pause im Bistrobereich setzen wollten, waren sie in unmittelbarer Nähe zu Kunden, von denen sie jederzeit angesprochen werden konnten. Genauso war die Situation am Zugende, wo sie sich auf den Stufen des Ausstiegsbereichs ausruhen durften. Allerdings war dafür bei guter Kundenfrequenz selten Zeit – der Trolley musste nachgefüllt werden.

Immer wieder kam es zu Beschwerden, dass ein Mitarbeiter im Zug schläft, telefoniert oder liest, anstatt sich um die Gäste zu kümmern. Das führte automatisch zu Mitarbeitergesprächen. Von den Mitarbeitern wurde nämlich erwartet, dass sie auch während ihrer Pause Kunden bedienen.

Somit gab es für diese Arbeitnehmer keine vorhersehbaren Zeiträume, in denen sie nicht arbeiten mussten. Dementsprechend verneinte der OGH das Vorliegen von "Pausen" iSd § 11 Absatz 1 AZG: Die Ruhepause muss vom Arbeitnehmer innerhalb eines vorgesehenen Zeitraums entweder frei gewählt werden können oder ihrer Lage nach für ihn vorhersehbar sein – dazu muss sie im Rahmen der Arbeitszeiteinteilung im Vorhinein zeitlich fixiert sein. Während der Pause muss die Arbeitspflicht ruhen; der Arbeitnehmer muss über diese Zeit nach seinem Belieben verfügen können. Pause ist echte Freizeit.

Das wäre Arbeitsbereitschaft

Damit verträgt sich freilich nicht, wenn der Arbeitnehmer jederzeit von Kunden angesprochen werden kann und darauf auch reagieren muss. Das kommt Arbeitsbereitschaft gleich und ist nicht Freizeit. Schädlich war im vorliegenden Fall auch, dass die Arbeitnehmer die Lage der Pause nur vermeintlich frei wählen konnten; sie mussten ja auf die Kundenfrequenz Rücksicht nehmen.

Diese Entscheidung stellt viele Arbeitgeber, vor allem solche mit wenig Personal, vor organisatorische Probleme: Wer nämlich erwartet, dass sich die Mittagspause nach dem Arbeitsanfall zu richten hat, irrt. Im Büro nur pausieren dürfen, wenn gerade wenig los ist, in der Boutique Mittagessen, nur wenn kein Kunde da ist – das lässt sich mit § 11 AZG nicht vereinbaren.

Wer keinen Arbeitnehmer einstellen kann, der die Mittagspause des jeweils anderen abdeckt, kann sich mit Teilzeitbeschäftigten und allenfalls Pausenteilungen behelfen. Wovon in einem Betrieb ohne (ungestörte) Mittagspause jedenfalls abzuraten ist, ist der automatische Abzug der Pausenzeit. (Kristina Silberbauer, 8.6.2018)