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Noch können Unternehmer für jedes einzelne Vergehen wie Arbeitszeitverletzung oder Unterentlohnung bestraft werden. Künftig könnte in solchen Fällen aber nur noch eine Strafe verhängt werden. Den Unternehmen soll das "existenzvernichtende Strafhöhen" ersparen.

Foto: Reuters / Aly Song

Als regelrechten Schlagabtausch könnte man die Kommunikation zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in den letzten Wochen bezeichnen. Neben den Konflikten rund um die von Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer unterstützte und von der Regierung geplante Flexibilisierung der Arbeitszeit – Stichwort Zwölfstundentag – gibt es zwischen beiden Parteien auch massive Reibungspunkte beim sogenannten Kumulationsprinzip. Ein Überblick über die wichtigsten Streitpunkte.

Frage: Worum geht es beim Kumulationsprinzip?

Antwort: Das Kumulationsprinzip besagt, dass bei Verwaltungsdelikten jedes Vergehen einzeln bestraft werden kann. Zahlt ein Unternehmer beispielsweise zwanzig seiner Mitarbeiter zu wenig Lohn, kann er für jeden einzelnen Mitarbeiter gestraft werden. Damit werden zum Beispiel Arbeitszeitverletzungen in Großkonzernen mit mehreren Tausend Mitarbeitern härter bestraft als bei kleinen Firmen mit einigen wenigen Mitarbeitern.

Frage: Welche Änderungen sieht die Regierung vor?

Antwort: Die Regierung plant, das Kumulationsprinzip ab 2020 aufzuheben. Es soll dann nur noch eine einzelne Strafe geben, wenn durch eine Tat dieselbe Vorschrift mehrmals verletzt wird. Bis dahin soll es für solche Fälle eine außerordentliche Strafmilderung geben. Mehrfachstrafen sind "auf ein angemessenes Ausmaß zu mildern", wenn die Summe der Einzelstrafen in Hinblick auf das Verschulden unverhältnismäßig wäre. Außerdem soll der Grundsatz "Beraten statt strafen" im Verwaltungsverfahren festgeschrieben werden: Straftäter mit geringem Verschulden – wie zum Beispiel Meldeverstöße bei Sozialversicherungen – sollen nicht bestraft, sondern beraten und abgemahnt werden.

Reicht derzeit die bloße Fahrlässigkeit laut Verwaltungsstrafgesetz aus, um eine Tat zu bestrafen, soll künftig die Beweislast bei Strafdrohungen über 50.000 Euro umgekehrt werden.

Frage: Was versprechen sich Regierung und Unternehmer davon?

Antwort: Der Landwirtschaftskammer etwa erscheint die Verschuldensvermutung "schon seit längerem als nicht mehr zeitgemäß und zunehmend problematisch im Sinne eines fairen Verfahrens". Sie solle generell abgeschafft werden, fordert die Kammer. Auch die Rechtsanwaltskammer befürwortet die Änderung. Gerade bei fahrlässigen Verwaltungsübertretungen könne es sein, dass dies dem Beschuldigten gar nicht bewusst sei und er die Übertretung aus diesem Grund gleich mehrfach begehe. Bei manchen Delikten, wie etwa Arbeitszeitüberschreitungen, führe das gelegentlich zu 100- oder gar 1000-fachen Begehungen, was zu "wirtschaftlich mitunter existenzvernichtenden Strafhöhen" führe.

Frage: Warum ist die Gewerkschaft dagegen?

Antwort: Die Arbeitnehmervertreter befürchten, dass durch den Entwurf Arbeitnehmerrechte gefährdet werden und Gesetze gegen Schwarzarbeit und Unterentlohnung zahnlos werden, wenn die hohen Strafdrohungen wegfallen. "Durch die De-facto-Abschaffung des Kumulationsprinzips werden vielfache Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte zu Kavaliersdelikten degradiert", kritisiert etwa der Gewerkschaftsbund.

Frage: Wie viel Geld würden Unternehmen sparen?

Antwort: Im Gesetzesentwurf finden sich keine Angaben, wie hoch die Ersparnis bei einem Auslaufen des Kumulationsprinzips für Unternehmen wäre. Laut Finanzministerium hat die Finanzpolizei im Vorjahr im Zusammenhang mit Schwarzarbeit Strafen in Höhe von 32 Millionen Euro beantragt, davon 11,6 Millionen Euro wegen Lohn- und Sozialdumpings und 7,6 Millionen Euro wegen illegaler Ausländerbeschäftigung. Wie viele Mehrfachstrafen darin enthalten sind, weisen die Zahlen nicht aus.

Frage: Sind die Änderungen schon beschlossen?

Antwort: Nein. Die Ministerien können immer noch entscheiden, das Prinzip in einzelnen Bereichen beizubehalten. Dafür müssen sie die entsprechenden Strafbestimmungen neu beschließen lassen. (Jakob Pallinger, 4.6.2018)