Kunst im öffentlichen Raum. Natur im Fokus der Fotografie. Bis Ende September laden die Installationen des Badener Festivals La Gacilly zum Dialog mit der bedrohten Umwelt.

Foto: Tim Flach

Die Geheimnisse des Universums werden den Erdbewohnern nicht mit besonderer Strenge vorenthalten, sie sind unbekannt, weil die Menschen keine sonderliche Lust haben, sie zu kennen", konstatierte die Schriftstellerin Tanja Blixen konsterniert. "Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekanntes", analysierte Elias Canetti. Entgegen dieser tradierten In-sich-Gekehrtheit und auch hierzulande weit verbreiteten xenophoben Abgewandtheit bietet das Festival La Gacilly-Baden Photo von Juni bis Ende September einen positiven Gegenpol.

Mit der Präsentation von über 2000 Fotografien 35 ausgewählter Künstler, die man auf einem 4,5 km langen Pfad, der sich durch die Altstadt und die historischen Parkanlagen des altehrwürdigen Kurorts Baden bei Wien zieht, sehen kann, ist das heuer erstmals in Österreich ausgerichtete Festival das größte Europas.

Die bis zu 300 Quadratmeter großen, im öffentlichen Raum, im Kontext mit der Architektur der ehemaligen kaiserlichen Biedermeierstadt und vor allem mit der Natur präsentierten Fotos rufen Emotionen wie Reaktionen hervor und bewirken einen aktiven Dialog. Thema des rund um die Uhr bei freiem Eintritt geöffneten virtuosen, aber virtuellen Museums ist das fragile Beziehungsgeflecht von Mensch und Umwelt.

Ideal des friedvollen Zusammenlebens

Durch die überdimensionale Präsenz der auf den ersten, oberflächlichen Blick pittoresken Schönheit gefährdeter Tierarten und bedrohter Lebensräume sollen die Menschen in ihrem Alltag mit der akuten Gefährdung der Natur und der Verschwendung natürlicher Ressourcen konfrontiert werden.

Gleichzeitig aber auch fasziniert von Andersartigem, Fremdem, Bizarrem und schlichtweg Schönem. Das Ideal friedvollen Zusammenlebens ist denn auch das Motto des von Jacques Rocher, Sohn des Naturkosmetikproduzenten Yves Rocher, vor 15 Jahren in der Bretagne gegründeten, nun von Fotograf Lois Lammerhuber nach Niederösterreich geholten Festivals.

"Es ist eine Frage der Zeit, wann das Ideal den Namen wechselt und sich Natur nennen wird", sagte Tanja Blixen in Out of Africa. Mit den Themen der Zeit sollen sich die Besucher auseinandersetzen – gezeigt werden unter der Patronanz von Stadt und Land 2000 Fotos internationaler Künstler, unter ihnen Klassiker wie Elliott Erwitt, Rimbaud, Lartigue, Capa, Adams, Doisneau, Salgado, Lindbergh, Gundlach, Horst, Sarah Moon, Ellen von Unwerth et alii, sowie – entsprechend dem Motto des Festivals "I love Africa" – zahlreicher afrikanischer Künstler. Darunter Seydou Keita, Malick Sidibé, Aida Muluneh, Jean Depara oder Sammy Baloji. Mehr als 40 Veranstaltungen laden zur aktiven Interaktion ein.

Wie meinte einst Tanne Blixen zu ihrer Muse Dennis Finchhatton: "Die Kunst entwickelt sich durch wild-nüchternen Naturalismus. Sie ist in ihrem Bestreben nicht ungeschlagen, sie hat unablässig versucht, Ausdruck des Sehnens der Menschheit zu sein."

Künstlerische Plattform geschaffen

Interessant wird sein, wie der Dialog zwischen dem Biedermeier-Charme und der k. u. k. Kurstadt ausfallen wird, wie das Grün des Biosphärenparks Wienerwald sich als Kontrast ausnehmen wird, wie Afrika mit der paneuropäischen Idee in Kontakt treten wird, abseits traditioneller Kaiserjäger-Kurkonzerte. Festivaldirektor Lammerhuber schuf, im Gegensatz zu den üblichen Ankündigungsweltmeistern und Verbalakrobaten, die larmoyant um verantwortungsvolles Agieren herumlavieren, entsprechend dem demokratischen Impetus des Mediums Fotografie, eine künstlerische Plattform, sich nach humanistischen und nachhaltigen Konzepten mit der Zukunft des Planeten zu befassen.

Während sich sowohl das Gros selbsternannter Protagonisten der Spezies Kulturpolitiker als auch der Museumsverwalter des Landes darin gefallen, in mehr oder minder regelmäßigen Abständen rein verbal ein Museum für Fotografie zu fordern, existiert mit Lammerhuber ein Vertreter, der unermüdlich verantwortungsbewusste Ergebnisse der Kunstsparte der geneigten Öffentlichkeit, im wahrsten Sinn des Wortes, vor Augen hält. Stichwort: Fried-Award.

"Es ist stets die Idee des Paradieses, auf die es ankommt, und wenn eine hinreichend ansprechende Illusion erschaffen werden kann, folgt die Wirklichkeit von selbst", resümierte Blixen. (5.6.2018)