437.000 Tonnen Kaffee exportierte Honduras bei der letzten Ernte.

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Doch wenn es viel Kaffee gibt, sind die Preise am Boden, sagt Kaffeebauer Cristián Rodríguez.

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"Klack, klack, klack" – so schnell kann das Auge den flinken Händen der Kaffeepflücker gar nicht folgen, wie die roten Kirschen in den Weidenkorb rollen. Männer, Frauen und Kinder schwärmen zur Erntezeit jeden Tag in aller Frühe aus. Zum Jahreswechsel ist Haupterntezeit in den Bergen von Honduras. Das mittelamerikanische Land, das gerade einmal so groß ist wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen, hat es zum fünftgrößten Kaffeeproduzenten weltweit gebracht.

437.000 Tonnen exportierte Honduras bei der vergangenen Kaffeeernte. Allein ein Viertel davon geht in Österreichs Nachbarland Deutschland. Die Bohnen werden gewaschen exportiert, in Deutschland geröstet und dann als Eigenmarken der großen Kaffeehäuser vertrieben.

Manche haben sogar eigene Röstereien in Honduras wie die Neumann-Kaffee-Gruppe die Rösterei Montecristo in Cortés. Neumann ist der weltweit führende Rohkaffeedienstleister mit einem Umsatz von 2,7 Milliarden US-Dollar, umgerechnet rund 2,3 Milliarden Euro. Ebenfalls Großkunde des mittelamerikanischen Landes ist die US-Kaffeehauskette Starbucks.

Viel Kaffee am Weltmarkt

"Wir werden dieses Jahr eine Rekordernte haben", sagt Kaffeebauer Cristián Rodríguez aus der Kleinstadt Siguatepeque in Zentralhonduras. Das ist eigentlich eine gute Nachricht, nachdem die vor allem von Kleinbauern betriebenen Plantagen die Jahre zuvor stark unter dem Kaffeerost gelitten haben. Neumann und andere Großkunden wie Nestlé haben über ihre Aufkäufer den Bauern daraufhin mit Krediten, Pestiziden und Düngern unter die Arme gegriffen und die Erschließung neuer Fincas finanziert.

Doch die bittere Pille schiebt Rodriguez gleich nach: "Weil es dieses Jahr aufgrund der Ausweitung der Anbaufläche und des guten Klimas viel Kaffee auf dem Weltmarkt gibt, sind die Preise am Boden." Einige seiner Nachbarn, erzählt der 44-Jährige, würden die brechend vollen Büsche dieses Jahr gar nicht abernten: "Sie würden Verlust machen."

2,5 Euro pro Korb à 13 Kilogramm

Rodriguez zufolge zahlen die Zwischenhändler umgerechnet rund 2,5 Euro pro Korb à 13 Kilogramm; allein schon für den Pflücker müsse er die Hälfte davon als Lohn zahlen. "Dazu kommen die Ausgaben für Dünger, Treibstoff und Schädlingsbekämpfung", klagt der Bauer, der von seinen zehn Hektar seine vierköpfige Familie ernähren muss.

"Eigentlich bietet der Kaffee ein enormes Entwicklungspotenzial für Honduras, wo rund zwei Drittel der Einwohner in Armut leben", sagt Gerardo Martínez, Projektmanager und Gastdozent an der Jesuitenuniversität von Tegucigalpa. In 15 der 18 Regionen werde Kaffee angebaut, 120.000 Familien lebten davon, das schafft eine Million Arbeitsplätze und generiert Deviseneinnahmen von rund 1,3 Milliarden Euro, das sind rund fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Zwischenhändler profitieren

Doch der Staat unternehme praktisch nichts, um den Sektor zu fördern. Das wird bei Rodríguez klar: Um zu seiner Finca zu kommen, muss man von der Kleinstadt Siguatepeque aus eine Stunde in die Berge fahren – über Schotter- und Lehmpisten, die zur Regenzeit nur mit Allradantrieb passierbar sind.

Wären nicht die vier Kaffeeverbände, in denen die meisten der Kleinbauern Mitglied sind, würde sich niemand um die Instandhaltung der Infrastruktur kümmern. Deshalb haben die Zwischenhändler leichtes Spiel: Sie schauen bei den Bauern vorbei, kaufen die Ernte direkt vom Hof – und machen saftige Gewinne. "Sie mischen guten mit schlechtem Kaffee, denn Abnehmer gibt es immer. In letzter Instanz für Instantkaffees oder Medikamente wie Aspirin", erzählt Rodríguez. In Honduras kosten 50 Kilogramm derzeit umgerechnet rund 76 Euro, auf dem Weltmarkt etwa 102 Euro. Für die Exportlizenzen müssen pro Zentner rund zwölf Euro gezahlt werden.

Hoffnung durch neue Kaffeesorte

"Nur zehn Prozent des weltweit mit Kaffee erzielten Umsatzes bleiben in den Herkunftsländern", sagt der Vizepräsident des Kaffeebauernverbands Anacafe, Mario René Palma. "Wir müssen uns mittelfristig vom Diktat der Börse und der großen Röstereien lösen." Das heißt konkret: eigene Röstereien aufbauen, auf Spitzensorten und Nischen wie organischen Kaffee oder Fair Trade setzen, wo dem Erzeuger bessere Preise gezahlt werden.

Hoffnung setzen die Kaffeebauern auf eine neulich in den Bergen im Norden des Landes entdeckte, neue Kaffeesorte, die Sommera cusucoana. Oder auf Werbeaktionen wie die Fahrt des Frachtseglers Avontuur, der kürzlich 44.000 Pfund honduranischen Spitzenkaffee nach Deutschland brachte – nachhaltig und klimafreundlich.

1,7 Euro Gehalt pro Tag

Rodríguez hat sein Schicksal vor einiger Zeit in die eigenen Hände genommen. Sein preisgekrönter Kaffee Tio Juan wird organisch angebaut und direkt an Importeure aus Japan, Taiwan, Australien und den USA verkauft. Außerdem röstet er einen Teil selbst und verkauft ihn in seinem Café am Zentralplatz von Siguatepeque. Das gelang ihm, weil er studiert hat und sich fortbildet. Das können aber nur die wenigsten Kleinbauern: Zwölf Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten.

Honduras ist das Armenhaus Mittelamerikas, hat ein marodes Bildungs- und Gesundheitssystem, gilt als notorisch korrupt und versinkt seit November in einem blutigen Nachwahlkonflikt. Rund zwei Dutzend Familien kontrollieren Handel, Finanzsystem und Bauwesen und haben wenig Interesse daran, dass sich an dem mageren Durchschnittseinkommen von rund 1,7 Euro pro Tag etwas ändert. "Wer hier vorankommt, schafft es trotz und gegen, nicht wegen der Regierung", sagt Rodríguez. (Sandra Weiss aus Siguatepeque, 10.6.2018)