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Die Kosten für günstige Lebensmittel in EU-Supermärkten werden oftmals in andere Länder ausgelagert. Im Bild ist eine Sojaplantage in Brasilien.

Foto: Reuters / Paulo Whitaker

Preisschilder spiegeln nicht die Realität wider", sagt Volkert Engelsman. Wolle man wirklich zwei Produkte miteinander vergleichen, müsse man tiefer gehen. Das Stichwort laute "ehrliche Ökonomie": Denn viele Kosten bei der Produktion von Lebensmitteln werden auf die Natur, andere Länder oder die nächste Generation abgewälzt. Das schreibt Engelsman in dem Buch Die Preise lügen, das er gemeinsam mit dem Agrarwissenschafter Bernward Geier herausgegeben hat, der fast zwei Jahrzehnte lang Direktor des Weltdachverbands der biologischen Landbaubewegung war.

Ökonom Engelsman kommt aus der Praxis: 1990 gründete er in den Niederlanden Eosta, eines der mittlerweile größten Handelsunternehmen für Bio-Obst und -Gemüse weltweit. In diesem Zusammenhang setzt er sich seit Jahrzehnten für ein "ehrliches Rechnen" ein. Ziel des Buches sei es, nicht nur Denkanstöße, sondern auch praxistaugliche Konzepte zu präsentieren, mit denen Unternehmer arbeiten können, sagt er dem STANDARD.

Verborgene Kosten berechnen

Wissenschaftliche Modelle zur Berechnung der verborgenen Kosten bei der Herstellung von Produkten sind bereits vorhanden. So hat zum Beispiel die UN-Welternährungsorganisation gemeinsam mit dem Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) ein Modell entwickelt, das den Ausstoß von einem Kilogramm Treibhausgas mit einem bestimmten monetären Betrag verknüpft.

Engelsman hat am Beispiel eines Apfelbaums in Argentinien die Kosten verglichen. Dabei zeigt sich deutlich: Bio und fair gehandelt kostet mehr. "Bio ist nicht zu teuer, sondern konventionell ist zu billig. Herkömmlich erzeugte Produkte verursachen Kosten, die ausgelagert und nicht im Preis mitgenommen werden", sagt Engelsman.

Im ökologischen Landbau würden zudem natürliche Ressourcen zu einem Großteil nicht in Mitleidenschaft gezogen – während konventionelle Landwirtschaft den Boden auslaugt, das Grundwasser belastet und mit Agrargiften zum Insekten- und Vogelsterben beiträgt, sagt Engelsman und meint weiter: "Die Wiedergutmachung solcher Umweltschäden ist teurer, als sie zu vermeiden."

Abstimmung mit jedem Euro

Für ihn stellt sich folgende Frage: Wollen wir in einer Welt leben, in der diejenigen belohnt werden, denen es am besten gelingt, Kosten auf künftige Generationen, auf den Steuerzahler oder auf das andere Ende der Welt abzuwälzen? Auch in Österreich handelt es sich um eine relevante Größe: Laut aktueller Konsumerhebung der Statistik Austria geben Österreicher 11,8 Prozent des Haushaltseinkommens für Lebensmittel und nichtalkoholische Getränke aus.

Doch auch der Staat müsse aktiv werden – am effektivsten ginge das über eine Steuervergünstigung oder sogar Steuerbefreiung für Biolebensmittel, sagt Engelsman. In den Niederlanden startete zum Beispiel vor kurzem eine Kampagne für null Prozent Mehrwertsteuer auf ökologisch erzeugte Produkte, berichtet Engelsman. (Julia Schilly, 6.6.2018)