Wien – In seiner Urteilsbegründung am Ende des Prozesses gegen Bernhard K. wird der Vorsitzende des Schöffensenates, Stefan Romstorfer, recht deutlich. "Für eine etwaige Diversion ist die Schuld zu schwer. Sie vertreten als Polizist den Staat, so etwas geht einfach nicht", argumentiert Romstorfer, warum der Senat den 55-jährigen Polizisten wegen Körperverletzung zu fünf Monaten bedingter Haft verurteilt. "Und das ist schon entgegenkommend", merkt der Vorsitzende noch an, ehe Verteidigung und Staatsanwaltschaft Bedenkzeit erbeten.

Was ist geschehen? Am 2. Juli waren K. und zwei seiner uniformierten Kollegen in ein Übergangswohnheim in Wien gerufen worden, wo ein mit Hausverbot belegter Mann sich aggressiv verhalten haben soll. Das Trio traf ein, auf den pöbelnden Wolfgang S., und K. diesen schließlich viermal mit der flachen Hand auf Kopf und Gesicht.

Am ersten Prozesstag im Februar gab es für die beiden begleitenden Polizisten eine Diversion mit Geldstrafe, da sie die Attacke nicht verhindert haben. Das Verfahren gegen Gruppeninspektor K. musste vertagt werden, da S. damals nicht erschienen ist.

Obdachloser akademischer Exsportler

Diesmal kommt er und widerlegt das Bild, das man gemeinhin von Unterstandslosen hat. Der 56-jährige Akademiker war nach eigenen Angaben früher Profisportler und drückt sich gewählt aus. Er verwendet bei seiner Aussage Begriffe wie "replizierte", "residierte" und "c'est passé".

An den Tattag könne er sich noch genau erinnern, betont er gleich zu Beginn: "Das hat sich tief genug in mir eingebrannt." Er sei mit einem Bekannten in seine frühere Unterkunft gekommen, um nach etwaiger Post zu fragen und vielleicht mit Bekannten zu plaudern.

In den Aufenthaltsbereich seien dann plötzlich drei Uniformierte gekommen, sie hätten ihn nach seinem Namen, er den Anführer nach dessen Dienstnummer gefragt. Plötzlich sei er von K. aus dem Sessel gerissen worden, dann habe es die Ohrfeigen gegeben.

"Fotze" nur Synonym für Ohrfeige

Auf Nachfrage der Staatsanwältin beteuert S., nüchtern und friedlich gewesen zu sein. Er habe weder eine Angestellte des Heims bedroht, noch die Polizisten beschimpft, am allerwenigstens K.s Mutter. "Das ist nicht mein Jargon", sagt er zunächst zu Beispielsätzen. Die Benutzung des Begriffs "Fotze" kann sich der Zeuge "nur als Synonym für Ohrfeige nach den Schlägen" erklären.

Allerdings: Es gibt ein Überwachungsvideo, was auch der Grund ist, warum der Übergriff überhaupt aufgefallen ist. Und dort ist sehr wohl eine längere Unterhaltung zwischen K. und S. zu beobachten. "Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mich über den zeitlichen Ablauf vielleicht täusche", gesteht S. zu.

Verteidiger Martin Riedl plädiert auf Freispruch oder Diversion. Das Ergebnis: Siehe oben. (Michael Möseneder, 4.6.2018)