Christopher Just über sein Buch "Catania Airport Club": "Stephen King und Elmore Leonard mögen keine Adjektive und Wie-Vergleiche. Das hat mir getaugt. Ich habe meinen Roman gleich damit vollgestopft."


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Christopher Just: "Catania Airport Club", € 25/514 Seiten, Milena: Wien, 2018.

cover: milena

Eine Massage kann auch sehr unangenehm sein. Sie ist zum Beispiel nicht schön, wenn man sich auf einem Großraum-Rave auf der Bühne von einem Profi durchwalken lässt und einem deshalb ein gewisser Unwillen entgegenschlägt, weil nichts passiert. Eigentlich sollte man stattdessen nämlich Technomusik böllern, damit die Leute amtlich auszucken können.

Stattdessen werden die Produktionsbedingungen transparent gemacht. Warum blöd in Wien tagelang das Studio abbauen und damit in der Weltgeschichte herumfliegen, nur um dann so wie alle anderen auch die Starttaste vom CD-Player zu drücken? Wegen 15 Minuten! Ehrlich: Längere Aufmerksamkeitsphasen spielt es in der Pharmazeutendisco nicht.

Christopher Just

Ok, die anderen Künstler tun hinter ihren Kasteln wenigstens so, als ob da live irgendwas passieren würde. Christopher Just und sein Partner Peter Votava hatten das als Duo Ilsa Gold oder Sons of Ilsa von den 1990ern herauf nie nötig. Sie sind schon mit einer Joghurtmaschine aufgetreten, auf der sie zu Vollplayback herumschraubten oder haben vor den Ravern Zeitung gelesen.

MAYDAY

Zum Höhepunkt der Technowelle sampelten die zwei in tiefem Humor und schlechtem Geschmack brüderlich verbundenen Ilsa Golds Süchtig, ein Lied des Austropoppers Peter Cornelius. Es sollte die Leute vor den Kopf stoßen. Das klappte aber nicht. Auch mit Silke gab es diesbezüglich nur Probleme. Der Track basierte auf einem Sample der Titelmelodie von La Boum und wurde mit einem elektrischen Galeerenbeat bei Angriffsgeschwindigkeit kurzgeschlossen. Trotzdem wurde es zum Rave-Klassiker. Drogen machen tolerant, zumindest die bunten. 2003 erschien zum Abschluss einer nie ganz beendeten Sause die Werkschau Regretten? Rien!. Man kann sie gebraucht kaufen. Nachbarn ärgern oder bei Wohnungspartys durch Spanplattenwände tanzen hat immer Saison.

Nocturnals

Christopher Just sagt heute: "Ende der Neunzigerjahre war Techno für mich durchdekliniert. Fast alles danach ist Malen nach Zahlen. Trotzdem macht es Spaß, wenn wir ab und zu als Ilsa Gold auftreten. Allerdings wird die Herausforderung, um drei Uhr früh auf die Bühne zu kommen, mit den Jahren zunehmend größer."

BONGZILLA ZOCKOTRON

Dichten statt Dichtmachen

Christopher Just feiert heuer seinen 50er. Er legt das mit dem Happy-Hardcore heute also ruhiger an. Eine hübsche und wienerisch-gemütlich ins Halbsandeln diffundierende Solokarriere mit dem Album Jeans & Electronic (1996) oder als internationaler Disco-Ungustl Punk Anderson mit dem ein Jahr später nur knapp am Welthit vorbeischrammenden Smasher Shave That Pussy gibt es ja auch in der Biografie.

Eine Sache kann der gebürtige Penzinger und Absolvent der Modeschule Hetzendorf ("Ich hab die Textilausbildung gemacht, da musste man am wenigstens lernen.") allerdings aus tiefstem Herzen bereuen. 1998 erfand er als Roy Edel mit dem volkstümlichen Track Mei allerliabster Sound is Techno die Schihütte, das Rumkugeln und den Hyper-Hyper-Techno in der Plastiklederhosn neu. Damals wurde Roy Edel bei Auftritten mit Flaschen beworfen, heute würden ihm die Untergatten zwischen Ischgl und Malle zufliegen: "Der ironische Zugang ist eine Wesensart von mir. Egal, was ich mache, ich reflektiere immer auch das Medium, für das ich arbeite", meint er heute.

smbUP

Nachdem Just einige Jahre in New York als Partyveranstalter gelebt und dort Musik etwa für die Chicks On Speed produziert hatte, entdeckte er zurück in Wien das Schreiben als neue Spielfläche. Beim Dichten statt beim Dichtmachen kann man früher ins Bett gehen, obwohl Just auch schon nach dem Frühstück bei einem Rave aufgetreten ist. Schreiben funktioniert bei Just allerdings ähnlich wie die Musikproduktion: "Der Sampler ist die letzte große musikalische Innovation, die wir haben werden. Mit ihm ist alles möglich. Ich arbeite allerdings gern etwas unsauber und schludrig."

Nach seinem Debüt Der Moddetektiv von 2017 legt Just nun im Milena-Verlag mit Catania Airport Club einen zweiten Wälzer im Zeichen des schlechten Geschmacks vor. Der Roman ist purer Trash, sehr lustig und gespickt mit Zitaten aus der Literatur- und Popgeschichte. Es geht um Serienmorde in der Modewelt, die Rockband Kiss, einen vertrottelten Detektiv, American Psycho in der Wiener Gumpendorfer Straße, einen kitschig gutaussehenden Protagonisten namens Chris sowie Dings.

Gelernt hat Just von der Schreibtheorie Stephen Kings oder Elmore Leonards: "Die mögen keine Adjektive und Wie-Vergleiche. Das hat mir getaugt. Ich hab meinen Roman gleich damit vollgestopft." Stimmt. Genug kann nie genügen. (Christian Schachinger, 5.6.2018)