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Die Annexion der Halbinsel Krim, zu der Russland mittlerweile eine Brücke baute, ist einer der Hauptgründe für die EU-Sanktionen gegen Russland.

Foto: Reuters / Rebrov

Es sei höchste Zeit, "diese leidigen Sanktionen zu beenden und die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland zu normalisieren", forderte Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Wochenende via Tageszeitung Österreich. Diese schadeten Österreich (dem Land, Anm.) und trieben Russland "in die Arme Chinas".

Es ist ein großes Rad der Weltpolitik, das der FPÖ-Chef über eine Boulevardzeitung in Wien kurz vor Beginn des österreichischen EU-Vorsitzes ab 1. Juli zu drehen versucht. Denn was nicht zur Sprache kommt, ist jener Part, den die freie westliche Welt bei den erstmals im März 2014 verhängten Maßnahmen gegen Russland nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Konflikt um die Ukraine spielte.

Nato vs. EU

Die Sanktionen haben eine starke globale, sicherheitspolitische Komponente. Sie wurden von den EU-Staaten in enger Abstimmung mit den USA (noch unter Präsident Barack Obama) und den Nato-Partnern beschlossen. 22 von 28 EU-Staaten (alle militärisch relevanten) gehören dem transatlantischen Bündnis an.

Wer die Aufhebung der Sanktionen verlangt, der muss einkalkulieren, ob und wie das formal wie realpolitisch überhaupt möglich ist. Was die Nato tut, könnte der EU theoretisch egal sein. Dass die großen EU- und Natomächte Deutschland, Frankreich und Großbritannien das zulassen, sich von den USA entfernen, ist unwahrscheinlich.

Auch die geltende Beschlusslage in der EU ließe derzeit wenig Spielraum, eine Aufhebung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Das gilt selbst für den Fall, dass die FPÖ die Vetokeule schwingt, indem die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl versucht, eine Verlängerung der Sanktionen zu blockieren.

Kurz sticht Kneissl

Außenpolitische Maßnahmen müssen einstimmig beschlossen werden. Das war auch im Falle Russlands 2014 so. Die damals verantwortlichen Regierungsmitglieder, Kanzler Werner Faymann und Außenminister Sebastian Kurz, haben die Sanktionen voll mitgetragen, bis heute. Diese waren zunächst nur für ein Jahr angelegt, werden seither aber alle sechs Monate verlängert.

Diese Verlängerung erfolgte jeweils einstimmig, zuletzt am 12. März 2018. Da war Kneissl bereits im EU-Ministerrat in Brüssel, sie hat zugestimmt, die Sanktionen laufen bis September 2018 weiter. Nun könnte sie beim nächsten Mal versuchen, das Thema im EU-Außenministerrat auf die Tagesordnung zu bringen. Obwohl ab Juli EU-Ratsvorsitzende, obliegt es nicht ihr, sondern der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, das Thema Ukraine behandeln zu lassen. Die Italienerin führt den Vorsitz bei den Außenministern.

Macron und Merkel berichten

Aber auch Mogherini ist gebunden: an den Europäischen Rat der 28 Staats- und Regierungschefs der EU, die den Fall Ukraine von Anfang an zur Chefsache gemacht haben. Sie haben eine mögliche Aufhebung der Sanktionen bereits beschlossen, aber streng an Fortschritte im Friedensprozess gemäß dem Abkommen von Minsk gebunden. Dieses haben die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande mit Präsident Wladimir Putin verhandelt. Merkel und Emmanuel Macron berichten den Regierungschefs direkt, ob es Fortschritte gibt, so auch im Juni.

Dann entscheidet aber Kanzler Kurz, ob er für das Ende der Sanktionen eintritt oder nicht. Bisher gibt es dafür keine Anzeichen. Die Forderung Straches richtet sich also an seinen eigenen Kanzler und ist so gesehen billig. Kurz könnte eine Offensive der FPÖ als Koalitionsbruch auslegen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 5.6.2018)

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