Obwohl sie fast so anmuten, sind dies keine prähistorischen Fotografien aus der Urzeit des Life Ball, sondern aus Stanley Kubricks Phase als Fotoreporter in NY.


Die Einblicke in Kubricks Monografie "Through a Different Lens" fotografierte Heidi Seywald.

"Stanley verhielt sich immer so, als wisse er etwas, was man selbst nicht wusste", notierte Journalist Michael Herr über den Kontakt mit einem seiner fotografierenden Kollegen. Bevor er als Filmregisseur mit Klassikern wie Spartacus, Clockwork Orange oder Eyes Wide Shut weltberühmt werden sollte, arbeitete Stanley Kubrick (1928-1999) fünf Jahre lang als Fotoreporter.

Mit 17 hatte er es geschafft, eine Reportage an das Magazin Look zu verkaufen. Faszinierend bei Ansicht dieser Arbeiten eines Teenagers ist die immense Sensibilität für den Augenblick, für Stimmungen. Der Schulabbrecher und Autodidakt aus der Bronx besaß von Grund auf alles, was Human-Interest-Stories relevant machte. Auch heute bestechen seine Fotos, in der Tradition der Street-Photography, mit der richtigen und nötigen Äquilibristik von Nähe und Distanz.

Respekt und Menschenkenntnis

Egal, ob seine Serien Schuhputzer oder Zeitungsausträger, ältere distinguierte Damen beim Blumen-Arrangieren, Slacker beim Pferderennen, Waisenkinder, Boxer, Revuetänzerinnen bei den Proben oder Starlets vor dem Vorsprechen oder einfache Bürger auf der Suche nach dem kleinen Glück im Alltag, nach dem Krieg, bei Partys und einfachen Vergnügungen – "simple minds have simple pleasures" – zeigen, alle Porträts sind von Respekt und Menschenkenntnis geprägt.

Zudem zeugen die dynamischen Bildfolgen von Kubricks späterer Meisterschaft des Erzählens, der Kompositionen von Licht, Schatten und Emotion. Der nun aus dem Orkus des Vergessens gehobene Schatz im Film-noir-Stil zeigt sowohl Kubricks humanitären Ansatz als auch bereits seinen Fokus auf Außergewöhnliches und Abgründiges. (Gregor Auenhammer, 5.6.2018)