Giuseppe Conte vor dem Senat.

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Rom –Der italienische Premier Giuseppe Conte hat in seiner Rede vor dem Parlament die EU zu mehr Solidarität im Umgang mit der Flüchtlingsproblematik aufgerufen. Der 53-jährige Rechtsprofessor beklagte die "egoistische Abschottung vieler EU-Mitglieder", die einige Länder wie Italien gezwungen habe, allein die Lasten der Flüchtlingsproblematik zu übernehmen.

"Wir fordern eine Reform des Dubliner Abkommens mit der Umverteilung der Asylanträge auf alle EU-Länder", forderte Conte. In Europa wachse das Bewusstsein, dass Italien vor der Herausforderung der starken Flüchtlingswelle nicht allein gelassen werde könne, wie auch die jüngsten Aussagen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeugten.

Conte bestritt, dass seine Regierung mit der rechten Lega fremdenfeindlich eingestellt sei. "Wir sind keine Rassisten und werden es nie sein", versicherte der Premier. Sein Kabinett werde sich um eine schnellere Prüfung der Asylanträge bemühen und Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung ausweisen. Legale Formen der Einwanderung sollen dagegen gefördert werden.

"Anwalt der Italiener"

Conte erklärte in einer Ansprache im Senat, auch erneut, dass er "Anwalt der Italiener" sein werde. "Ich habe keine politische Erfahrung, ich bin ein Bürger, der das Premiersamt mit Demut, aber auch mit Entschlossenheit übernimmt", sagte der 53-jährige Rechtsprofessor.

Für Italien beginne eine "neue Phase der Transparenz" gegenüber den Bürgern. Die "Regierung des Wandels", die Lega und Fünf-Sterne-Bewegung auf die Beine gestellt hätten, sei keine Propaganda, sondern entspreche dem Bedürfnis, dass sich Italien "dem Wind des Neuen" öffne, sagte Conte. Seine Ansprache wurde wiederholt vom Applaus der Senatoren unterbrochen.

Mindestsicherung und Mindestlohn

Die neue Regierung stütze sich auf einen Koalitionsvertrag, den Lega und Fünf Sterne ausgehandelt hätten, sagte Conte. Die neue Regierung wolle ganz besonders auf die Bedürfnisse der Bürger achten. Zugleich wolle sie pragmatisch handeln und kontrollieren, dass die im Koalitionsvertrag enthaltenen Ziele erreicht werden. Prioritär seien die Sozialrechte, die in Italien in den vergangenen Jahren schrittweise abgebaut worden seien. "Die Italiener haben ein Recht auf Mindestsicherung und Mindestlohn sowie auf gerechte Pensionen. Wir wollen Schulden abbauen, aber mit der Förderung des Wachstums und nicht mit Austeritätspolitik", sagte Conte.

Der neue Premier bekannte sich zu Europa. Die Interessen Italiens seien jene Europas. "Europa ist unser Haus. Als EU-Gründungsmitglied haben wir das Recht, ein stärkeres und gerechteres Europa zu fördern, in dem das Prinzip der Solidarität gilt", sagte Conte. Zugleich erklärte er, dass sich Italien in der EU für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland einsetzen werde.

Votum am Mittwoch

Seine Regierung werde "dem Geschäft mit der illegalen Einwanderung" ein Ende setzen, das unter dem "falschen Mantel der Solidarität" floriere, so Conte. Zudem werde sich die Regierung verstärkt innovative Methoden im Kampf gegen die Korruption einsetzen.

Der Senat stimmt am Dienstag über die neue Regierung ab. Die Vertrauensabstimmung soll gegen 19.30 Uhr beginnen. Da die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega gemeinsam die Mehrheit stellen, gilt es als ausgemacht, dass sie das Vertrauen bekommen. Nach dem Senat muss auch die Abgeordnetenkammer über die Regierung abstimmen. Das Votum könnte am Mittwoch stattfinden.

Nach wochenlangem Ringen war die Regierung unter Führung Contes am Freitag vereidigt worden. Die Regierungsbildung zwischen den äußerst unterschiedlichen Parteien hatte erst im zweiten Anlauf geklappt. (APA, 5.6.2018)