Die Autorin Karin Peschka brachte diesen Krug von ihrer ersten Reise nach Teheran mit. Wenn sie aktuelle Nachrichten aus dem Nahen Osten hört, betrachtet sie den Krug und denkt darüber nach.

Foto: Lukas Friesenbichler, Set-Design: Magdalena Rawicka

Diese Geschichte erschien im Rahmen eines Schwerpunkts im RONDO zum Thema Souvenirs.

Foto: lukas friesenbichler

Im Oktober 2015 verbrachte ich auf Einladung des Österreichischen Kulturforums acht Tage in Teheran. Teheran! Bis zu diesem Zeitpunkt ging meine weiteste Reise Richtung Südosten ins ungarische Debrecen. Ich kannte ein paar große Städte, aber keine Megacity. Während in Debrecen rund 200.000 Menschen leben, sind es in der Region Teheran mehr als 15 Millionen.

Drei Lesungen waren vereinbart, im Kulturforum, auf der Behesthi-Universität und in einer Teheraner Filiale der iranischen Buchhandlungskette Book City. Dort überreichte man mir diesen persischen Krug als Gastgeschenk. Er hat in unserer Wohnung einen prominenten Platz, in einem Regal über dem Esstisch. Eigentlich ist es kein Regal, sondern eine Art Quader, ein seltsames Ding mit runden Ecken, außen weiß, innen ein helles Orange, offen gegen die gelbe Wand.

Deutlich mehr Worte

Gut, dass der Krug die Heimreise zwischen Granatäpfeln und orientalischen Süßigkeiten heil überstanden hat, denn er bedeutet mir viel. Die Lesung in der Book City war eine neue Erfahrung, wie fast alles auf dieser Reise. (Hatte ich zuvor je Ash-e Reshteh gegessen oder einen Basar betreten? Nein.) Ich war mit meinem Roman "Watschenmann" unterwegs. Auszüge daraus waren im Vorfeld in die Landessprache übersetzt worden.

In der Book City las ich mit einem Mitarbeiter des Kulturforums im Wechsel: ich ein paar Zeilen auf Deutsch, er die Übersetzung auf Farsi. Absatz für Absatz. Brauchte ich drei Minuten, waren es bei ihm fünf, dauerte es bei mir fünf Minuten, las der Kollege neun. Farsi, so erklärte man mir, ist viel umschreibender, verlangt deutlich mehr Worte als das Deutsche.

Im Anschluss an die Lesung fand eine Podiumsdiskussion statt. Der Saal war voll, Frauen, Männer, interessiert und herzlich, mit einer Begeisterung und Hingabe für Literatur, die mich berührte. Sie stellten Fragen zur literarischen Szene in Österreich, zur Situation heimischer Autorinnen, zum "Watschenmann", zur Zeit, von der das Buch erzählt, zu meinem Schreiben, zu mir.

Smog & Berge

Der Krug erinnert mich an diesen ebenso ernsthaften wie fröhlichen Abend, an Teheran und die Menschen, die ich dort kennenlernte, an die grünen Parks und dichtbefahrenen Straßen, an die Berge, die der Smog manchmal nicht verbirgt. Dann stehen sie mächtig hinter der Stadt, in die ich gerne noch einmal zurückkehren möchte. Weil: Was sind acht Tage?

Mir hat sich dort bestätigt, woran ich immer glaubte: dass wir wenig wissen vom Leben anderer, dass alles vielschichtiger ist, als es sich auf den ersten Blick darstellt. Manchmal, wenn ich aktuelle Nachrichten aus dem Nahen Osten höre, betrachte ich den Krug und denke darüber nach. (Karin Peschka, RONDO, 8.6.2018)