Präsidenten unter sich: Der türkische Staatschef Tayyip Erdoğan (Mitte) und Aziz Yıldırım, der Präsident des türkischen Süperligisten Fenerbahçe, bei einem Europacup-Match gegen Sturm Graz in Istanbul 2017. Yıldırım wurde nun nach 20 Jahren abgewählt. In der Türkei wollen viele Parallelen zum derzeit laufenden Wahlkampf sehen.

AFP / Özan Köse

20 Jahre hat er in der Türkei regiert, und dann war mit einem Mal im Handumdrehen Schluss. Verbraucht ist er, schreiben die Kommentatoren im Nachhinein. Die falsche Botschaft hätte der Präsident seinen Wählern gegeben. Gleich viermal mehr Stimmen bekam sein Herausforderer am vergangenen Sonntag.

Der Sturz von Aziz Yıldırım, dem Präsidenten des türkischen Fußballklubs Fenerbahçe, gilt als so kolossales Ereignis, dass es für viele Türken unmöglich ist, keine Parallelen zum laufenden Wahlkampf und zu Tayyip Erdoğan zu ziehen, dem türkischen Staatspräsidenten und erklärten Fener-Fan.

Transparenz versprochen

Mehr als 20.000 Mitglieder des prestigeträchtigen Istanbuler Klubs hatten sich an der Wahl beteiligt. Yıldırım ging noch vor Bekanntgabe des Ergebnisses wütend und enttäuscht aus dem Stadion in Kadıköy, wo die Wahlurnen aufgebaut waren. Ali Koç, der 51-jährige Milliardär und Spross einer der wichtigsten türkischen Industriellenfamilien, räumte ab. 80 Prozent stimmten für ihn. Koç hatte Transparenz und Respekt vor der Vereinssatzung versprochen. Yıldırım war das Einmannregime.

"Die Leuten sagten 'Genug!'", schrieb die regierungsunabhängige Zeitung "Cumhuriyet" nach der Wahl und mit einer kaum verhüllten Anspielung auf den "Genug!"-Vorfall zu Beginn des laufenden Präsidenten- und Parlamentswahlkampfs im Land. Als Erdoğan im Vormonat in einer Rede ankündigte, er würde auch einmal sein Amt räumen, wenn die Menschen sagen würden, es sei nun genug, begann der bisher angeblich größte Hashtag-Krieg des Internets: Mehr als eine Million Türken twitterten innerhalb von Stunden "#Tamam". Erdoğan regiert seit 2003 die Türkei, zunächst als Premier, ab 2014 und zunehmend autoritär als Staatspräsident.

Teure Legionäre

Aziz Yıldırım wiederum gilt als Erdoğan-Mann. Denn in der Türkei ist der Fußball ein politischer Faktor, erst recht, wenn es um einen der erfolgreichsten und – gemessen an der Zahl seiner teuren Legionäre – exklusivsten Klubs des Landes geht. Allein drei brasilianische Spieler sind in dieser Saison wieder bei Fener unter Vertrag: Giuliano, Souza und Fernandão. In den 20 Jahren, die Yıldırım das Zepter führte, gewann Fenerbahçe neunmal den Meistertitel in der Süperlig, der obersten Spielklasse. Der Bauunternehmer Yıldırım brachte Fener an die Istanbuler Börse und machte den Klub zu einem der umsatzstärksten Fußballvereine der Welt.

Doch in Erinnerung bleiben wird wohl vor allem die Manipulationsaffäre von 2011, die Yıldırım für ein Jahr in Untersuchungshaft brachte. Die Ermittlungen führte seinerzeit der Istanbuler Oberstaatsanwalt Zekeriya Öz. Die Strafsache wird von der türkischen Regierung mittlerweile als Verschwörung der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, einem einstigen Verbündeten Erdoğans, etikettiert. Der Staatsanwalt setzte sich nach dem vereitelten Putsch 2016 ins Ausland ab und wird seither gesucht. Yıldırım wurde den Makel des verurteilten und wieder freigesprochenen Klubpräsidenten gleichwohl nicht mehr los.

Müder Kandidat

Erdoğan hatte noch vergangene Woche Yıldırıms Wiederwahl empfohlen – der "Erfahrung" wegen. Der Staatschef und Kandidat für seine eigene Wiederwahl am 24. Juni wirkt im Wahlkampf müde. Die Umfragen, deren Voraussagen allesamt als unsicher gelten, gehen von einem knappen Sieg Erdoğans in einer Stichwahl um das Präsidentenamt aus und halten eine Niederlage von Erdoğans AKP und der mit ihr verbündeten rechtsgerichteten MHP bei der gleichzeitigen Parlamentswahl für zunehmend möglich. (Markus Bernath, 5.6.2018)