Still aus Bouchra Khalilis "The Tempest Society".


Foto: Courtesy die Künstlerin

Wien – Wie entsteht Geschichte, und wie verhält sich offizielle Geschichtsschreibung zum Erleben Einzelner? Solche Fragen beschäftigen die marokkanisch-französische Künstlerin Bouchra Khalili (geb. 1975). Im Film Foreign Office reflektieren zwei junge Menschen anhand von Fotos über die Situation in Algier nach dem Unabhängigkeitskrieg. Sie nähern sich der Historie der Befreiungsbewegungen, die sich in den 60er-Jahren dort niederließen. Der Film ist Teil von Khalilis Personale in der Wiener Secession.

Von "Menschen außerhalb der Geschichte" ist dort die Rede. Ebensolche kommen auch im Film The Speeches Series (2012-13) zu Wort. In ruhigen Einstellungen widmet sich die Kamera Angehörigen von Minderheiten. Zuwanderer sprechen darüber, wie viel Identität mit einem Pass zu tun hat, erzählen von Widrigkeiten der Arbeitswelt oder tragen poetische Texte vor. Immer wieder ist es das Verhältnis von kollektiver Sprache zum individuellen Ausdruck, das Khalili interessiert.

Selbstermächtigung durch Kunst, diesen hehren Anspruch verfolgt der Film The Tempest Society, der 2017 auf der Documenta lief. Ein syrischer Flüchtling, ein Sprecher von Arbeitsmigranten und eine griechische Sans-Papiers inszenieren ihr Nachdenken über Europa auf einer Bühne. Interessant ist ihr Bezug zu einer aktivistischen Theatergruppe afrikanischer Einwanderer und französischer Studenten im Paris der 1970er: Um Ungleichheit und Rassismus bewusstzumachen, stellten sie reale Begebenheiten im Sinne einer "theatralischen Zeitung" nach. (rg, 5.6.2018)