Freundinnen waren diese beiden Damen wahrlich nicht. "Sie ist falsch, könnte falscher nicht sein, ist eine ebenso gute Preußin wie Peter III., aber gefährlicher", ätzte Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) über die russische Zarin Katharina die Große (1729-1796). Als deutsche Prinzessin war Katharina der Habsburgerin, der alles Preußische verhasst war, nicht geheuer. Obendrein war sie überzeugt, Russland habe sie im Siebenjährigen Krieg im Stich gelassen, weil Zar Peter III. 1762 aus der antipreussischen Koalition ausgeschieden war.

Zarin Katharina II. wurde zu Beginn ihrer Regentschaft von Vigilius Eriksen (um 1762/64) gemalt.
Foto: St. Petersburg, Staatliche Eremitage, 2018

Aber auch abseits der Politik war ihr die Dame aus St. Petersburg nicht grün. Ja, die Abneigung gegen die Liebschaften der Zarin war für die sehr religiöse Herrscherin unüberwindlich. Dass die Zarin ihren Ehemann vom Thron gestürzt und womöglich in seine Ermordung verwickelt war, half nicht gerade beim Sympathiepunkte sammeln. Die Antipathie war gegenseitig: Eine "ehrwürdige Frau Betschwester" nannte Katharina II. ihre Amtskollegin.

Kaiserin Maria Theresia 1773 verewigt von Anton von Maron.
Foto: KHM-Museumsverband,

Nun hängen die Monarchinnen einträchtig nebeneinander im Wiener Kunsthistorischen Museum: links das Bildnis der jungen Katharina, deren Griff nach der Macht eher subtil mit einem das Zepter berührenden Fächer dargestellt ist, rechts das Porträt der verwitweten Habsburgerin, die mit dem Plan von Schönbrunn in der Hand als Bauherrin in Zeiten des Friedens auftritt.

Als Bild für die Götter imaginiert man sich vor den überlebensgroßen Majestäten die Pose eines Staatsmannes; von einem, der nicht nur an die Heiligkeit staatlicher Macht anknüpft, sondern auch um imperiale Inszenierungen seines Amts nicht verlegen ist. Russlands Präsident Wladimir Putin eröffnete am Dienstagabend die Schau Die Eremitage zu Gast.

Von Belang ist aber nicht der aufgeklärte Absolutismus der Damen, sondern ihr mäzenatisches und sammelndes Tun. Katharina wollte das Prestige des jungen Russland durch eine staatstragende Kunstsammlung steigern und obendrein ihre Anfangs noch karge, aber bald zu klein werdende Residenz am Ufer der Newa, die sie "meine Eremitage" nannte, ausstatten. So häufte sie in gut zwanzig Jahren eine gigantische Kollektion an in dem sie ganze Hundertschaften von Gemälden aus repräsentativen Sammlungen von Fabrikanten, Bankiers, Grafen und Ministern erwarb.. Maria Theresia musste nicht bei Null beginnen, sondern konnte auf die Sammelleidenschaft von Maximilian II, Rudolf II. und Ferdinand II. aufbauen.

Ein meisterliches, den Betrachter überwältigendes Bild von Bernardo Strozzi: "Heilung des Tobit", 1632
Foto: St. Petersburg, Staatliche Eremitage, 2018

Jetzt sind sie also Schirmherrinnen für ein Projekt in wirtschaftspolitischer Mission, stehen ein für die Kunst der Diplomatie – oder richtiger: für die Diplomatie der Kunst. Denn das Gipfeltreffen von 14 Gemälden aus der St. Petersburger Eremitage mit 14 Werken aus dem Kunsthistorischen Museum (Gegenbesuch im Oktober) haben die Sponsoren Gazprom und OMV angestiftet, die so ihrer Geschäftsbeziehung huldigen wollen. Da greift man in nicht ganz friktionsfreien außenpolitischen Zeiten wie diesen freilich gern auf die Kunst zurück. Wo anders lässt sich das Gemeinsame schon so schön feiern?

Anthonis van Dyck spielte sehr mit der eigenen Künstlerpersönlichkeit und inszeniert sich in diesem Selbstporträt (1622/23) aus der Staatlichen Eremitage als dandyeske Figur.
Foto: Vladimir Terebenin, St. Petersburg, Staatliche Eremitage, 2018

Schon die Architektur in St. Petersburg signalisiert in ihrer Ähnlichkeit zu Paris, Rom oder Wien Nähe, denn die Zarin begriff sich als Teil des gleichen Kulturraums. Wien wie St. Petersburg verfügen über meisterliche Beispiele einer enzyklopädischen Kunstsammlung, die die europäische Malereigeschichte von der Renaissance bis zum Frühklassizismus abbildet. Und auch lange nach dem Ende der Monarchie leben die beiden Museen von der Wirkmacht ihrer absolutistischen Historie.

Über diesen wunderlichen diplomatischen Kunstgriff unter Hilfestellung staatlicher Museen soll man den Kopf schütteln. Trotzdem darf man sich die russischen Bildgäste nicht entgehen lassen: etwa den in Wien abgängigen Botticelli, das rare Bild des früh verstorbenen Holbein-Bruders Ambrosius, einen Strozzi von entwaffnendem Zauber und einen van Dyck als Dandy. (Anne Katrin Feßler, 5.6.2018)

Eine Gegenüberstellung eines Bildnis von Hans Holbein ("John Chambers, Leibarzt König Heinrichs VIII.", um 1541/42) und einem Porträt, das sein früh verstorbener Bruder Ambrosius 1518 von einem jungen Mann anfertigte und das in der expliziten und dominanten Darstellung des architektonischen Hintergrundes einzigartig ist.
Fotos: KHM-Museumsverband, St. Petersburg, Staatliche Eremitage, 2018
Nordalpin trifft südalpin: Ein Albrecht Altdorfer zugeschriebenes Gemälde ("Die Enthauptung der hl. Katharina",
um 1505/06) trifft auf einen Sandro Boticelli ("Der büßende hl. Hieronymus",
um 1498 und 1505) aus der Staatlichen Eremitage St. Petersburg
Fotos: KHM-Museumsverband, St. Petersburg, Staatliche Eremitage, 2018