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Die Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge soll zwischen 2013 und 2016 1200 positive Asylbescheide ohne rechtliche Grundlage erstellt haben.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Möglicherweise bringt Angela Merkel heute ein wenig Licht ins Dunkel. Eine außergewöhnliche Gelegenheit böte sich ja. Zum ersten Mal seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2005 muss sich die deutsche Kanzlerin einer Regierungsbefragung im Bundestag stellen – nach dem Vorbild "Prime Minister's Question Time" im britischen Unterhaus.

60 Minuten lang können die Abgeordneten fragen. Merkel weiß nicht, welche Themen sie erwarten. Man ahnt, dass sie nicht mit großer Lust in den Termin gehen wird. Und man ahnt außerdem, welche Auskunft begehrt wird: Wann, Frau Bundeskanzlerin, wussten Sie, dass im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht alles rund läuft?

Das ist das Thema, das das politische Berlin seit Wochen umtreibt. Zuerst war die Außenstelle in Bremen betroffen, dort sollen zwischen 2013 und 2016 1200 positive Asylbescheide ohne rechtliche Grundlage ergangen sein. Dann hörte man auch aus anderen Außenstellen von Unregelmäßigkeiten. Und schließlich sprach der frühere Bamf-Chef Hans-Jürgen Weise von Überforderung der Behörde, die die politische Vorgabe "Schnelligkeit vor Qualität" auszuführen hatte.

Anträge für U-Ausschuss

Dies ist natürlich die Aussicht auf ein Festessen für die Opposition. Die AfD hat bereits einen Antrag auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss fertig. Sie will aber nicht nur die politische Verantwortung für Missstände im Bamf klären, sondern überhaupt Merkels Asylpolitik seit dem Herbst 2015 thematisieren. "Die Vorfälle im Bamf und die Migrationspolitik lassen sich nicht voneinander trennen", sagt AfD-Innenpolitikerin Beatrix von Storch.

Die AfD ist zwar die größte Oppositionsfraktion im Bundestag, aber für die Einsetzung eines U-Ausschusses braucht sie die Unterstützung von zwei weiteren Fraktionen. Die FDP hat nun einen eigenen Antrag vorgelegt, mit der AfD will sie sich nicht gemeinmachen. Diese, so FDP-Chef Christian Lindner, wolle nur einen Großkonflikt inszenieren, während es der FDP um "klare und vollständige Aufklärung" und einen Beitrag zur "Befriedung der Gesellschaft" gehe.

Linke und Grüne möchten sich nicht beteiligen. Sie setzen zunächst auf Aufklärung im Innenausschuss des Bundestages. Dieser wird am Freitag noch einmal Bamf-Chefin Jutta Cordt und ihre Vorgänger Frank-Jürgen Weise sowie Manfred Schmidt anhö- ren. Eine Woche später sind dann Ex-Innenminister Thomas de Maizière und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) dran.

Altmaier war in der fraglichen Zeit Chef des Kanzleramtes. Im Oktober 2015 hatte ihn Merkel zum Flüchtlingskoordinator der Regierung ernannt. Doch Altmaier schiebt den schwarzen Peter seinem Ex-Kollegen de Maizière zu: "Das Bamf ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesinnenministeriums. Die Zuständigkeit für das Bamf lag und liegt daher während der gesamten Zeit beim Bundesministerium des Innern." Sollten allerdings die Geladenen, zu denen später wohl auch Merkel gehören wird, nicht ausreichend zur Aufklärung der Affäre beitragen, dann sind Grüne und Linke bereit für den U-Ausschuss. Selbst aus der SPD gibt es jetzt Stimmen dafür. Sowohl Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann als auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius zeigen sich offen. Alle Fehler müssten seriös analysiert werden, sagt Pistorius. Und: "Das kann wohl nur ein Untersuchungsausschuss leisten."

Kanzlerin will EU-Bamf

Merkel selbst ließ durch ihren Sprecher ausrichten, sie habe sich immer mit dem Bamf und Reformen für selbiges befasst. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) hat sie gerade eine "gemeinsame europäische Flüchtlingsbehörde" vorgeschlagen – also so eine Art EU-Bamf.

In Bayern hingegen will man sich auf die eigenen "Stärken" besinnen. Das Kabinett unter Leitung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stimmte am Dienstag für Abschiebungen abgelehnter Asylwerber in Eigenregie.

Bisher musste Bayern auf Flugzeuge warten, die der Bund zur Verfügung stellt. Künftig chartert man eigene Flieger, um die Betroffenen auszufliegen. "Wir wollen zeigen, dass unser Rechtsstaat funktioniert", sagt Söder und empfiehlt dieses Modell auch anderen Bundesländern. Zudem ist Bayern bereit, sieben "Anker-Zentren" einzurichten. In diesen sollen Asylwerber so lange bleiben, bis über ihren Antrag entschieden wird. Es gibt dort kein Geld für sie, sondern nur Sachleistungen. (Birgit Baumann aus Berlin, 6.6.2018)