Salzburgs Studienvertretung sucht den Weg des geringsten Widerstands und stellt erneut die Sinnhaftigkeit von Lateinkenntnissen in der Lehramtsausbildung in Frage. Das verrät viel über den Stellenwert humanistischer Allgemeinbildung bei Studierenden – und über die nächste Generation von Pädagoginnen und Pädagogen, für die Bildung zu einer ökonomischen Ressource verkommt.

Vor Kurzem initiierte die Studienvertretung Lehramt der Salzburger Hochschulen (Universität und PH) über soziale Netzwerke eine Umfrage, bei der Lehramtsstudierende aller Studienrichtungen für oder gegen die Beibehaltung der Ergänzungsprüfung Latein als Studienvoraussetzung abstimmen sollten. Diese zusätzliche Prüfungsleistung ist derzeit noch vor allem für Sprachenfächer (Germanistik, Romanistik, Slawistik), aber auch für Religion und Geschichte während des Studiums zu erbringen, falls nicht schon während der Schulzeit ausreichende Lateinkenntnisse erworben wurden. Beinahe zwei Drittel der rund 600 teilnehmenden Studierenden stimmten bei der Umfrage für die in populistischer Manier von der Studienvertretung vorgegebene Option, Latein sei sinnlos, und brachten dies teils auch unmissverständlich in Kommentaren zum Ausdruck ("Lateinpflicht weg!", "Eindeutig weg!", "Im Lehramt braucht mans eh nicht").

Kosten-Nutzen-Rechnung

Die Reaktionen zeigen deutlich, dass das Potential, durch grundlegende Lateinkenntnisse die eigenen Studieninhalte zu vertiefen, von vielen verkannt wird. Vielmehr stellt man eine simple Kosten-Nutzen-Rechnung an: Wie viel Einsatz erfordert die Prüfung, wie viel nützt sie mir für mein Studium – gemessen in ECTS-Punkten? Für Latein scheint die Rechnung eindeutig: Der fakultative Begleitkurs kostet nicht nur Geld (80 Euro pro Semester), sondern auch Zeit (vier Wochenstunden) und wird weder durch ECTS-Punkte aufgewogen noch zum Studienerfolg gerechnet. Wer den nötigen Ehrgeiz mitbringt, kann sich im Eigenstudium auch alles selbst beibringen. Wenn schon nicht zwingend Geld, so setzt die Ergänzungsprüfung also zumindest ein Mindestmaß an Zeit voraus – Zeit, die angesichts der dichten Curricula ohnehin rar ist und deren Investition auch nicht angemessen vergütet wird. Die Schlussfolgerung muss demnach lauten: Latein abschaffen, weil unökonomisch, ergo sinnlos.

Apropos sinnlos: Ohne hier im Detail auf die Relevanz von Lateinkenntnissen für die einzelnen Studienfächer eingehen zu wollen, sei zumindest knapp auf den Einfluss der einstigen Lingua franca auf verschiedene Sprachfamilien (romanische wie germanische) und auf die Entwicklung der europäischen Kultur verwiesen. Dies gilt insbesondere für jene Disziplinen, in denen ältere Quellentexte hauptsächlich auf Lateinisch verfasst (Geschichte oder Religion) oder Termini und Theorien aus der Antike übernommen wurden (Germanistik). Allein deshalb gleicht es einer Farce, dass Studierende ebendieser Studienrichtungen Latein als unnützes Wissen abtun.

Überholtes Bildungsideal?

Die grundsätzliche Frage, ob Lateinkenntnisse denn "sinnvoll" seien, ist symptomatisch für den heutigen Stellenwert humanistischer Bildung, die in Zeiten der Quantifizierung und Kompetenzorientierung zunehmend zu einem Randphänomen verkommt. Sie wandelt sich vom hehren Ideal zu einem optionalen Nice-to-have, das sich viele ob des zusätzlichen Aufwands nicht mehr leisten (wollen). Wenn auch viele Lehramtsstudierende geistes- und kulturwissenschaftlicher Fächer gerade dieses Zweckdenken in der Schule oftmals kritisieren, folgen sie selbst in ihrem Studium den gleichen Prinzipien. Die Zahl der ECTS-Punkte muss stimmen, die Mindeststudienzeit eingehalten werden, das erworbene Wissen unmittelbar verwert- und anwendbar sein – dafür werden die vertiefende oder gar interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Studieninhalten und die Ausbildung der fachlichen und methodischen Professionalität bereitwillig der Ökonomie geopfert. Eine umfassende Allgemeinbildung, wie man sie später (hoffentlich) Schülerinnen und Schülern zu vermitteln versucht, erscheint nicht als erstrebenswertes Ziel; vielmehr ist es eine weitere Pflicht auf der studentischen To-Do-Liste, die es mit minimalem Input und größtmöglichem Output so schnell als möglich abzuarbeiten gilt.

Gerade Pädagoginnen und Pädagogen sollten, angesichts des Anspruchs, sowohl fachliche Inhalte als auch grundsätzliche Wertvorstellungen zu vermitteln, eigentlich ein anderes Ideal vertreten und den Erwerb von Lateinkenntnissen als Bereicherung für das eigene Studienfach und für die persönliche Weiterbildung erkennen. Statt die "Sinnlosigkeit" von Studieninhalten zu betonen, wäre es zielführender zu diskutieren, welcher Mehrwert sich dadurch ergibt – sowohl für die schulische als auch für die universitäre Ausbildung. (Sybille Mühlbacher, 7.6.2018)