Diese Österreicher! Sie seien "Meister der Inszenierung, der Gastfreundschaft auch mit Speis und Trank, aber ebenso der Symbolik". Sätze wie diesen hört man in diesen Tagen sinngemäß oft von Diplomaten, Journalisten, Mitarbeitern in EU-Institutionen oder von Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten, wenn man sie auf den nahenden EU-Vorsitz ab 1. Juli anspricht.

Im Zweifel werden Bedenken hinsichtlich der EU-Treue des kleinen zentraleuropäischen Landes zerstreut – selbst dann, wenn etwa Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) jüngst das EU-Grundprinzip des freien Personenverkehrs oder die Sanktionen gegen Russland mit loser Zunge infrage stellt. Denn plötzlich liefern "diese Österreicher" dann wieder Aktionen, die äußerlich stark zum Ausdruck bringen, wie "proeuropäisch" sie doch sein möchten.

Sogar beim Kaffee. So ließ der damalige Kanzler Wolfgang Schüssel 2006 beim EU-Vorsitz als "Geschenk" die abgewohnte Pressebar im EU-Ratsgebäude schick und nicht zu billig renovieren. Als "Café d'Autriche" ist sie mit ihren roten Lederbezügen noch heute ein beliebter Treffpunkt.

Sein Nachfolger Sebastian Kurz (ÖVP) scheint dies trotz seines EU-skeptischen blauen Regierungspartners noch übertreffen zu wollen. Er fliegt Mittwoch mit der gesamten Bundesregierung – 16 Ministern und zwei Staatssekretären – im Schlepptau nach Brüssel. Am Vormittag gibt es in der Ständigen Vertretung Österreichs, also auf heimischem Territorium, einen Ministerrat. Das gab's noch nie. Ab Mittag trifft sich die Regierung mit den EU-Kommissaren im Berlaymont zum gemeinsamen Arbeitsessen. Einziges Thema, zu dem Präsident Jean-Claude Juncker und Kurz im Anschluss eine Pressekonferenz abhalten: EU-Vorsitz und -Pläne, Österreichs Beiträge zur Agenda und zur Reform der EU bis Jahresende.

Wichtiger Moment

Beeindruckt von dieser geballten EU-Orientierung aus Wien erklärte Kommissionssprecher Margaritis Schinas am Dienstag, dies sei ein "wichtiger Moment". Es kämen viele Regierungen in die EU-Hauptstadt, "aber nicht gerade alle vollzählig". Die Kommission sei jedenfalls "sehr erfreut" und "würdigt diese Geste", sagte er und lobte die "engen Beziehungen" zu Österreich.

Vom STANDARD gefragt, was Juncker Strache sagen werde, verwies er auf den nächsten Tag. Schinas vergaß aber nicht zu erwähnen, dass Kurz bereits im Dezember "als Erstes" zu Juncker nach Brüssel geflogen sei. Es gebe da "eine gute institutionelle Dynamik".

Damit öffentlich Unstimmigkeiten gar nicht erst aufkommen, sieht das Protokoll im Kommissionsgebäude keine öffentlichen Auftritte von FPÖ-Politikern vor. Der Kanzler behält sich vor, Erklärungen des offiziellen Österreich allein neben Juncker vorzutragen.

Eine gemeinsame Pressekonferenz von Kurz, Strache und Außenministerin Karin Kneissl wird es trotzdem geben. Sie findet in der Ständigen Vertretung statt – also in Österreich. So wird wahr, was Strache vor kurzem sagte: "Kurz kümmert sich um Europa, ich kümmere mich um Österreich." Eine fast geniale Diplomatie. (Thomas Mayer aus Brüssel, 6.6.2018)